laut.de-Biographie
Ebow
"Ich will, dass Deutschrap femininer, queerer, experimenteller, mutiger wird. Wir kennen alle Storys die gerappt werden. Ich will neue Storys hören, aus neuen Perspektiven mit neuen Einflüssen." Ebow gibt gegenüber der Backspin im Herbst 2017 die Marschroute vor: Alternativer, explizit politischer Rap.
Ebru Düzgün wird 1990 als Enkelin türkischer Gastarbeiter in München geboren. Innerhalb ihrer Familie findet die Musik allgegenwärtig statt: "Es geht gar nicht darum, dass man jetzt superschön singen kann oder irgendjemandem was zeigen, sondern es wird halt durchgehend gesungen."
Das Tor zur großen musikalischen Welt öffnet ihr der Sender MTV. "Bills Bills Bills" von Destiny's Child setzt sich als früheste Erinnerung fest. So entwickelt sich R'n'B der 1990er Jahre neben türkischer Musik zum Haupteinfluss auf die junge Bayerin. Später inspirieren sie Tupac Shakur, 2Raumwohnung und Rio Reiser.
Im Alter von 15 Jahren wagt sie sich erstmals ans Mikrofon. Ein Jahr später steht sie bereits in einem Studio. Über die Plattform Rappers.in bezieht sie ihre ersten Instrumentals.
Live geht Düzgün unkonventionelle Wege. In Form von Guerilla-Auftritten in Waschsalons oder Supermärkten erntet sie erste Aufmerksamkeit. Ab 2010 bezeichnet sie dem Pseudonym Ebow nicht nur sich selbst, sondern auch die um sich formierte Band.
Musikalisch setzt Ebow auf orientalische Klänge und türkische Samples in ihren Beats. Auf der textlichen Ebene findet Integration als wiederkehrendes Thema statt. Das Konzept einer fixen deutschen Kultur lehnt sie gegenüber Goethe.de ab:
"Es gibt Dinge, die spezifisch für eine Gesellschaft sind, aber da geht es wirklich um die Gesellschaft selbst und die Dinge, die auf die Gesellschaft einwirken – wie zum Beispiel die Wirtschaft oder die Politik. Aber ich glaube nicht, dass es so etwas gibt, wie den 'typischen Deutschen'. Es gibt Menschen in meiner Generation, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Wir haben eine komplett eigene Kultur entwickelt. [...] Wir haben so viele Kulturen, die wir aufnehmen und deswegen kann man auch nicht mehr davon reden, dass etwas spezifisch für eine Kultur ist."
Auch den unter weiblichen Rappern verbreiteten "Bitch-Rap" möchte sie weitläufig umgehen. Dabei handele es sich ihrer Auffassung nach lediglich um einen "billigen Schutzschild, um den Männern zuvor zu kommen." Abseits der Musik zeigt sie weiteres kulturelles Interesse. So äußert sie ihre Vorliebe für Filme von Federico Fellini, den sie trotz seines Sexismus für die "Illusionen, die er erzeugte, und seine wunderschönen Bilderwelten" bewundert.
In Wien studiert Ebow Architektur und entdeckt Gemeinsamkeiten mit der Musik: "Architektur und Musik – das hat Schnittstellen, die super interessant sind, weil du auch etwas machst, was sich auf die Außenwelt auswirkt. Du kannst auch extrem viel mit Architektur beeinflussen, was das Zusammenleben von Menschen angeht."
2012 entsteht unter der Regie von Nik Le Clap und Hicham Sebiai das Video-Mixtape "Habibi's Liebe Und Kriege". Ein Jahr später folgt ihr als "orientalischer Alternative Hip Hop" charakterisiertes Debütalbum "Ebow" über das Label Disko B. Der zum Teil an "Summertime" von DJ Jazzy Jeff & The Fresh Prince erinnernde Song "Eis Auf Den Asphalt" erscheint 2014 als Single.
Das Goethe-Institut zeigt sich von Ebow begeistert und lobt ihren Ansatz als "bunt, direkt und tiefgründig". Im Herbst 2016 schickt sie der gemeinnützige Verein in die Türkei. Dort gibt sie Workshops und tritt in neun Schulen auf, in denen Kinder die deutsche Sprach erlernen.
Nach ihrer Rückkehr veröffentlicht Ebow die Single "Asyl", mit der sie erstmals ein größeres Publikum erreicht. Die Rapperin liefert mit dem Song den Soundtrack zur noch immer schwelenden Flüchtlingsdebatte: "Wir sind wert, was der Pass uns an Wert gibt. [...] Sind so viel wert, wie der Geldbeutel schwer ist."
"Asyl" gibt die Ouvertüre zu Ebows zweitem Album "Komplexität", das Mitte November 2017 über Problembär Records erscheint. Spiegel Online sieht die Rapperin "zwischen Conscious Rap und etwas abgedroschenem Culture Clash im Stile von M.I.A.". Die Münchenerin gehöre neben "Zugezogen Maskulin, Eko Fresh, Sookee, der Antilopen Gang, Celo & Abdi, Ali As und OK Kid" zu einer "neuen Generation von Musikern, die sich ihre Kunst nicht mehr ohne Haltung vorstellen können."
Auch anlässlich ihres dritten Albums "K4L" zeigt sich das Feuilleton im Frühjahr 2019 begeistert von der Rapperin.
Ebow selbst appelliert an jeden potenziellen Hörer und ermutigt zu mehr Open-Mindedness: "Lass dich d'rauf ein, erwarte nichts, sei nicht enttäuscht, weil meine Sprache nicht in dein Bild von mir passt. Sei nicht enttäuscht, weil meine Songs nicht straße genug sind, weil sie nicht hart genug sind. Ich bin soft, genieß' es."
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