laut.de-Kritik
Spannende Fusion aus Hip Hop und futuristischer Elektronik.
Review von Yannik GölzDie Drain Gang ist eines der weirdsten Phänomene der Hip Hop-Gegenwart. Die Yung Lean-Weggefährten und Cloud Rap-Hänger veröffentlichen seit 2014 Album um Album, minimalistische Delivery, verstrahlte Beats von Gud oder Whitearmour und erreichten damit durchaus positive Reputation. Doch wer die Musik von Bladee oder Thaiboy Digital schon schräg findet, ist auf das letzte Kind der Sippschaft nicht wirklich vorbereitet, das nun sein Debütalbum nachlegt. "E" von Ecco2k ist Hip Hop, so dekonstruiert, dass er fast wie experimentelles Ambient klingt.
Die schräge, schwerelose Helium-Stimme von Ecco, die man von Drain Gang-Klassikern wie "Obedient" zumindest in kleinen Dosen kennt, wird zum zentralen Stück eines Trips von einem Album, das sein Genre in nie erlebten Klangfarben zeichnet. Ecco malt eine Welt zwischen schwedischem Schneefall, Ketamin an der Bushaltestelle, Entfremdung in der kreativen Branche und Einsamkeit. Dafür greift er auf ekstatische Synthesizer und die Produktion aus der Feder von Yung Gud und Yves Tumor zurück.
Das Resultat sind Songs, die fragmentarisch und avantgardistisch klingen. In den wildesten Momenten sorgt das für Field Recording-Stücke wie das desorientierte "Fruit Bleed Juice", das mit dem verstrahlten "Bliss Fields"-Skit im Tandem eher wie POV-Kino aus einem ausschweifenden High als wie ein Song wirkt. Die große weite Welt trifft auf Kleinstadt-Schwermütigkeit, Transzendenz trifft auf eine Eiswüste.
Dagegen klingen Nummern wie "Calcium" oder "Sugar & Diesel" schon eher nach traditionellen Rap-Cuts. Die Lyrics geben zumindest ein wenig Sinn, man identifiziert Songstrukturen und spürt gar ein bisschen klassisches Rap-Bravado. Es sind geometrische, abstrakte Versionen von klassischen Cloud Rap-Bangern, die jedem gefallen werden, der "Yoshi City" mochte. So klingt die Einleitung zu "Peroxide" fast ein wenig nach Yung Leans "Kyoto".
Dafür bietet Ecco inhaltlich auf derartigen Songs mehr: "Peroxide" verhandelt in einem absurden Selbstgespräch Eccos Erfahrungen als Kind mit nigerianischen Wurzeln im gutbürgerlichen Schweden sowie die Erwartungen, die auf seinen Schultern lasten - vor allem, wenn seine androgyne Art diese so gar nicht erfüllt. Das Peroxid wird dabei zum Sinnbild zum Blondieren oder Nichtblondieren seiner dunklen Haare. Anpassen oder Nichtanpassen, auffallen oder ein bisschen weniger auffallen.
Man sollte sich aber nicht darauf verlassen, immer Sinn in seinen Texten zu finden. Gegen Ende schnappt auf "Time" einer der härtesten, tanzbarsten elektronischen Beats zu und bietet Ecco ein Fazit für die Ausflüge in den Hedonismus, die Selbstzerstörung und den Exzess. "I wish I fall, I sink through the floor/ Unless I lost I lose nothing more/ The more I want, the more loses all/ The will is lost, I will kiss the gods/", resümiert er, nachdem er den Chant "The time won't stop" fast bis zur Ekstase wiederholt hat.
"E" ist parallel eine Reduktion bis zum Minimum und schafft es trotzdem, mit maximalistischer Reizüberflutung zu operieren. Die Klänge, die schroffen und kybernetischen Synthesizer führen die Platte in einen einzigen Rausch, in dem Eccos Autotune-Harmonien wie Schwaden durch den Wind peitschen, während der Hörer immer tiefer in das psychedelische Gepolter, die berauschte Selbstfindung eintaucht. Ein einzigartiges und packendes Album, das, wenn man sich einmal darauf eingelassen hat, zu den
3 Kommentare mit einer Antwort
wer auch immer da einen stern gegeben hat sollte unbedingt sein leben überdenken, alleine dass auch noch yves tumor unter den produzenten ist sagt schon fast alles. sehr gute review, zu krankes album. interessanteste platte 2019 was alternative hiphop angeht
Bei mir hielt das Interesse nur für die ersten Lieder...
Aber ja, irgendwie eigenartiger Langspieler.
Kenne zwar die Drain Gang schon länger aber hatte die immer eher als uninspirierte Yung Lean-Sidekicks wahrgenommen. Aber "e" läuft jetzt seit Release - also anderthalb Jahre mittlerweile - recht regelmäßig und begeistert mich nach wie vor. Ecco hat so ein unglaubliches Gespür für Melodien und seine Art, die Stimme einzusetzen (und an den richtigen Momenten in Effekten zu ertränken) steigert die Ohrwurmqualität irgendwie nochmal immens. Seine aktuelle EP steht dem auch in nix nach, ist aber nochmal ne ganze experimenteller (kommt da eigentlich noch ne Review?).
https://www.laut.de/News/Doubletime-Beef-f…