laut.de-Kritik
Die Väter Coldplays klingen souverän und erhaben.
Review von Michael SchuhLebensbejahender als Joy Division, großmäuliger als die Go-Betweens und unkommerzieller als U2, das waren Echo & The Bunnymen Anfang der 80er. Seit der Reunion von 1997 schreiben die beiden Hauptakteure Ian McCulloch (Gesang) und Will Sergeant (Gitarre) ihre Geschichte mit Gitarrenpop-Songs fort, die allesamt so eingängig wie unspektakulär sind. Von den Oldies heute noch einen Single-Hit zu erwarten, hieße dennoch, sich eine Anmoderation Markus Kavkas ohne "Herrschaften" oder "Wieder was gelernt" vorstellen zu können.
Auch "Siberia" ist zunächst nur eine weitere neue Bunnymen-Platte, die erste übrigens seit vier Jahren, so smart und vertraulich empfängt einen der Single-Opener "Stormy Weather". Doch schon "All Because Of You Days" zeigt an, dass da mitunter wieder ein bisschen mehr Feuer drin ist im Indie Pop-Universum der Post-Punks von einst. McCullochs Stimme kratzt mittlerweile beachtlich, verströmt dabei aber eine Ruhe und Selbstzufriedenheit, die die eleganten Meldodiebögen von Gitarrist Sergeant angenehm konterkariert.
Dass der reichhaltige Bunnymen-Backkatalog heute von einer jungen Musiker-Generation neu entdeckt wird, kommt da natürlich auch nicht unpassend. Die Gnade des Zeitgeists allein reicht jedoch nicht aus für späten Ruhm, so dass Sergeant und McCulloch für "Siberia" wohlwissend ein paar unumstößliche Nummern komponiert haben. Das ähnlich ihren frühen New Wave-Stücken rockende "Of A Life" zum Beispiel mit dieser typischen 80er Rockgitarre oder "Everything Kills You", eine echte Stadionballade, in deren Refrain Sergeant seine berüchtigten The Edge-Soli von der Leine lässt, während McCullochs Stimme eine Präsenz zeitigt, die ihn wiederum verdächtig nahe zu Bono Vox bringt. Was im Gegensatz zur Auffassung des Bunnymen-Sängers keine Beleidigung ist. Wie sagt man so schön: eine Charakterstimme.
Im Laufe der Platte bekommt man eine leichte Ahnung davon, wie Coldplay klingen könnten, sollten sie in zwanzig Jahren noch gemeinsam musizieren: souverän, erhaben und auf eine sympathische Art störrisch. Scheißegal, ob noch jemand zuhört. Denn wenn die angesagteste Gitarrenpop-Band der Welt im Jahr 2025 "Yellow" covert, wie es Coldplay jüngst mit "Lips Like Sugar" taten, schließt sich wieder ein Kreis. Der Glanz jener alten Bunnymen-Nummer strahlt auch aus neuen Songs wie "Everything Kills You" oder "In The Margins". Wen interessieren da bitte noch Single-Hits? Mit einer Platte wie "Siberia" könnte den beiden Briten jedenfalls wenig gleichgültiger sein.
Noch keine Kommentare