laut.de-Kritik
Plüschketten zwischen Himmel und Erde.
Review von Kai ButterweckEd Kowalczyk beschäftigt sich gerne mit dem großen Ganzen. So werden bei dem ehemaligen Live-Frontmann gängige Alltagsgeschichten stets mit einer dicken Glasur Spiritualität überzogen, sodass sich ein durchgehender, mitunter recht zäher Faden zwischen Himmel und Erde erstreckt. Auch auf seinem zweiten Solowerk "The Flood And The Mercy" mimt der Sänger wieder den Kontaktmann für all die Menschen, die in nahezu jedem irdischen Ergebnis eine vorangegangene Über-den-Wolken-Tat sehen. Dabei steht den metaphorischen Überdosen ein nicht minder opulentes Klangbild zur Seite.
Das Ergebnis ist ein fünfzigminütiger Rock-Pop-Ritt, der wahlweise mit Zuckerrohr oder Peitsche ins Ziel führt. Doch nicht jeder Reisegast erreicht die Endstation namens Charts-City. Denn während sich zartbesaitete Harmonie-Schmankerl wie "Seven", "Angels On A Razor" oder "Bottle Of Anything" der Aufnahme in gängige Airplay-Hitlisten sicher sein können, werden vertracktere Rock-Kaliber à la "Parasite", "Take Me Back" oder "Supernatural Fire", mit dem Blinder-Passagier-Button auf der Stirn, wieder zur sofortigen Rückreise verdammt.
So geht man in Charts-City nun mal zu Werke. Schade eigentlich; denn gerade auf den druckvollen Momenten des Albums, beweist Ed Kowalczyk sein Gespür für intensive Dynamik, fernab vom überzuckerten Einheitsbrei der Marke 3 Doors Down, Bon Jovi oder Nickelback.
Der Mann, der aufgrund seines markanten Organs oftmals an eine männliche Version von Anastacia erinnert, kann nämlich durchaus richtig rocken. Traurig nur, dass sich krachende Gitarren, eingebettet in gut strukturiertes und langlebiges Songwriting, nur selten an die Oberfläche kämpfen. Stattdessen liegt der Fokus auch anno 2013 eher auf - zwischen Schunkelparty ("Holy Water Tears", "The Watchman's Lament") und Lagerfeuer ("All That I Wanted", "Cornerstone") hin und her pendelnden - Schmacht- Schmonzetten, die allerdings zu keiner Zeit die Tiefe alter Live-Juwelen wie "Face And Ghost" oder "Dance With You" erreichen.
Warum der Sänger große Probleme damit zu haben scheint, die Plüschketten, die er schon seit Jahrzehnten hinter sich her schleift, abzustreifen, bleibt weiterhin ein Rätsel. Vielleicht weiß ja die alles lenkende Energie jenseits des Horizonts die Antwort darauf. Los, Ed – gib dir nen Ruck! Du hast doch den Draht, oder doch nicht?
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