laut.de-Kritik
Die Rückkehr der Indie-Legende nach zwei Schlaganfällen.
Review von Michael SchuhDie Rückkehr des Edwyn Collins mit seinem siebten Album "Losing Sleep" ist ein kleines Wunder. 2005 erlitt der damals 45-jährige Songwriter binnen weniger Tage zwei Schlaganfälle. Danach lag er sechs Monate im Krankenhaus, konnte weder laufen, noch sprechen, lesen oder schreiben.
Als er 2007 von seinem Reha-Programm nach Hause zurückkehrte, erschien sein Album "Home Again", das nur noch gemixt werden musste, da es bereits vor seiner Krankheit entstand.
Der Titel "Home Again" würde auch dem neuen Album gut zu Gesicht stehen. Auf "Losing Sleep" ist Collins wieder ganz bei sich selbst angekommen. Der Schotte, der es in den 80er Jahren mit seiner Indiepop-Band Orange Juice zu einigem Ruhm brachte und in den 90ern mit "A Girl Like You" überraschend einen weltweiten Charthit landete, schloss sich mit Langzeitproduzent Sebastian Lewsley ins Studio ein und komponierte einfach drauflos.
Er sang (mit kaum verminderter Präzision), spielte Keyboards und Mundharmonika und griff einzelne Gitarrenakkorde, schrammeln kann er mit seiner rechten Hand nicht mehr. Trotzdem lassen die Songs in ihren besten Momenten Collins' Songwriting-Kunst durchblitzen, etwa im ungestümen Soul-Pop des Openers oder dem 80s Indie-Rocker "What Is My Role", in dessen Mittelpunkt die vor Collins' Hintergrund sentimentalen Hook-Zeilen "Sometimes I'm up / Sometimes I'm down / Sometimes I wonder / What is my role" stehen.
Im störrischen Rhythmus von "Bored" meint man gar die schwerfällige Motorik herauszuhören, mit der der Rekonvaleszent seit fünf Jahren zu kämpfen hat. Und doch: Die Freude über seine Genesung verbreitete sich in Windeseile bei der angesagten Enkelgeneration, so dass Onkel Collins dank Franz Ferdinand, The Drums, The Magic Numbers und The Cribs gleich einige Stufen auf der Hipness-Leiter nach oben stieg.
Ryan Jarman von den Cribs half bei "What Is My Role" aus, Franz Ferdinand unverkennbar beim herrlichen Disco-Pop in "Do It Again", ohne dass der Hauptperson der Platz im Mittelpunkt streitig gemacht würde. Nicht ganz so gut gelang das den Drums, deren Beitrag zu "In Your Eyes" vom eigenen Album stammen könnte (was aus musikalischer Sicht betrachtet natürlich kein Ärgernis darstellt).
Der Einfluss des Magic Numbers-Sängers Romeo Stodart auf das schwelgerische "It Dawns On Me" bleibt ebenso wie die Johnny Marr-Kollaboration "Come Tomorrow, Come Today" weitgehend unbemerkt. Die meisten Songs strahlen ohne Frage die Souveränität eines langen Popkomponistenlebens aus, wissen mitunter auch zu begeistern. Mit "Humble" oder "Over The Hill" leistet sich Collins aber auch arg belanglose Füller.
Übel nehmen kann man es ihm kaum, schon gar nicht wenn er in der mit Aztec Camera-Gründer Roddy Frame aufgenommenen Ballade "All My Days" Beobachtungen seines wieder gewonnenen Alltags zu einer berührend sublimen Melodie vorträgt. Das Fazit "I'm willing to accept the good that's near" steht als eine Art Happy End unter dieser fast schon unglaublichen, persönlichen Erfolgsgeschichte.
1 Kommentar
Schöne Platte. Hab davon schon in der Vision gelesen und dachte mir, einfach mal rein zu hören.