laut.de-Kritik
Trotz leichter Fortschritte zu sehr auf Nummer sicher.
Review von Toni HennigLetztes Jahr stieg Gründungsmitglied Noel Pix bei Eisbrecher aus, Leadgitarrist Marc "Micki" Richter besetzt nun seinen Posten. Außerdem setzte ein gesundheitlicher Zwischenfall Sänger Alexander 'Alexx' Wesselsky außer Gefecht, so dass die Band ein paar Gigs verschieben oder gar absagen musste. Trotzdem sollte man musikalisch keine all zu gravierenden Veränderungen erwarten. Mit "Kaltfront°!" machen die Bayern dort weiter, wo sie mit ihrem Nummer Eins-Album "Liebe Macht Monster" vor vier Jahren aufgehört haben.
Den Beginn macht das kurze, eisige Ambient-Intro "Minus 90 Grad". Danach rechnet Wesselsky in "Everything Is Wunderbar" zu rockig treibenden Tönen mit den "super" fetten "Lifestyle" der jetzigen Generation ab, was nicht sonderlich originell wirkt. Der sich anschließende, endzeitmäßige Titeltrack wäre eine logische Fortführung des Intros gewesen. Das dunkle und abgründige "Auf Die Zunge" mit Schattenmann hinterlässt einen überzeugenden Eindruck, während die Aufrüstungskritik in "Waffen Waffen Waffen" recht plump daherkommt. Dafür streuen Eisbrecher in der Nummer ein paar Western-Töne ein.
"Dein Herz" stellt danach eine eingängige NDH-Nummer dar, die gesanglich Erinnerungen an Oomph! weckt, als Dero Goi noch in der Band war. Mit "Zeitgeist" gibt es danach einen eher modernen Song im Electric Callboy-Stil, in dem Joachim Witt einige Selbstzitate beisteuert.
"Das Neue Normal" erweist sich als wütender Track, in dem die Bayern sich kritisch mit der Radikalisierung in der Gesellschaft auseinandersetzen. Fast schon poppig geht es in "Die Hoffnung Stirbt Zuletzt" zu, einem Duett zwischen Alexx und Sotiria von Eisblume, das von einer erkalteten Liebe handelt.
In den letzten Stücken mutiert die Formation eher zu einer reinen Selbstkopie, statt sich um Abwechslung zu bemühen. Eine stampfende Außenseiter-Hymne wie "Einzelgänger" gehört bei Eisbrecher schon längst zum Standardrepertoire. Beißende Alltagskritik darf auch nicht fehlen, wie "Toi Toi Toi" beweist. Die pianogetränkte Neueinspielung von Michael Holms "Tränen Lügen Nicht" reiht sich in die Reihe schlechter Coverversionen Eisbrechers. Konsumkritik wie in "Satt" hat man von Wesselsky & Co. auch schon zu Genüge gehört. Zumindest sorgen die an Scraping Foetus Off The Wheel erinnernden Bläser für ein wenig Schmiss.
Das midtempolastige "Festung Der Einsamkeit" und das Outro "Auf Kalt" runden die Scheibe trostlos ab. So bleibt ein Album, das ein paar leichte musikalische Fortschritte in der Entwicklung der Band erkennen lässt, am Ende aber doch zu sehr auf Nummer sicher geht.
2 Kommentare
Dieser Kommentar wurde vor 3 Tagen durch den Autor entfernt.
Hatte arbeitsbezogen paar Male mit Alex gesprochen. Cooler Typ. Leider hatte sich diese Sympathie nie auf eine definierte Albumlänge abseits guter Einzelsongs geeinigt und somit lässt mich der Eisbrecher passenderweise kalt, doch ließe sich das gut mit meinem seit Monaten wieder aufkommenden NDH-Interesse vereinbaren