laut.de-Kritik
Liebe und tapsige Femmes fatales: verführerischer denn je.
Review von Giuliano Benassi"Ich bin altmodisch. Ich spaziere gerne zum Café an der Straßenecke. Ich setze mich gerne hin und lese eine Zeitschrift. Ich mag es, mit meinen Freunden zu plaudern. An einem Telefon, das mit einem Kabel an die Wand angeschlossen ist", stellt die Songwriterin aus Los Angeles fest. Und das nicht in einem Interview, sondern in der ersten Strophe des Openers "I'm Old Fashioned".
In einer gewissen Hinsicht mag das retro erscheinen, aber diese Einstellung hat sicherlich auch etwas zeitlos Cooles. Etwa so, wie einen "richtigen" Brief zu schreiben, zur Bank zu stiefeln und sich mit Menschen hinter einem Schalter zu unterhalten, sich durch die Zeitung zu blättern und eine Schallplatte aufzulegen. Oder einfach mal eine Woche lang zu warten, bis die ersehnte Sendung im Fernsehen läuft.
Es geht um eine Entschleunigung des Alltags, die sich wie gewohnt in Mandells Musik widerspiegelt: Stimme, Akustikgitarre, Kontrabass, Klavier, verschiedene Blas- und Perkussionsinstrumente. Mehr braucht sie nicht, um sich in die Ohren zu schmeicheln, ohne jemals die Grenze zum Kitsch zu überschreiten.
Anstoß fürs zehnte Album sei ein Besuch in der Country Hall of Fame in Nashville gewesen. "Als ich all die Gitarren und Noten gesehen habe, ist mir aufgefallen, wie sehr mich der klassische Country beeinflusst hat", erzählt sie. Ihre Zwillinge hätten danach darauf bestanden, den eher schnulzigen Sänger Roger Miller ("King Of The Road") im Auto auf Heavy Rotation zu setzen.
Countryesker als sonst klingt Mandell allerdings nicht. "Ich war beeindruckt, wie einfach die Produktion war. Seine Stimme war genau in der Mitte und der Klang war offen. Es gab nur wenige Schichten, und alles war sehr harmonisch. Egal, ob die Texte eine Pointe hatten oder eher dümmlich waren – alle klangen gut. Ich wollte auch versuchen, meine Musik zu vereinfachen und zu reduzieren, aber so, dass sie immer noch voll und schön klang", erklärt Mandell.
Das ist ihr mithilfe des Produzenten Sheldon Gomberg (der 2014 einen Grammy für Ben Harpers und Charlie Musselwhites Album "Get Up!" gewonnen hat) auch gelungen. Mandells Stimme klingt verführerischer denn je, gut unterstützt von jazziger Instrumentierung, die sich zudem mal an Calypso, gemäßigten Rock'n'Roll oder Piano Bar-Balladen wagt.
Die Texte handeln von der Liebe und tapsigen Femmes fatales. Dass wir letztlich auf uns alleine gestellt und dazu verurteilt sind, in Einsamkeit zu leben, versteht sich von selbst. Umso schöner, wenn sich Momente der Zweisamkeit ergeben. Meist überraschend, wie in einem All You Can Eat-China-Restaurant ("China Garden Buffet") oder beim Spazierengehen. "It feels so good when the dark lights up", sinniert Mandell in "What Love Can Do" und erklärt so den Titel des Albums.
Liebe ist sicherlich wichtig, doch spielt die Musik für Mandell ebenfalls eine zentrale Rolle. "Mir macht jeder Aspekt des Daseins als Musikerin Spaß. Angefangen beim guten Gefühl, wenn man etwas Schönes alleine im Wohnzimmer geschrieben hat bis hin zur Aufführung mit einer Band. Das alles macht mich glücklich. Es ist einfach eine unglaubliche Art, mit anderen in Verbindung zu treten und sich selbst besser zu verstehen", erklärt sie.
Eine Liebe, die auch auf "Dark Lights Up" gut zu erfahren ist. Immer und immer wieder.
1 Kommentar
"[...] hat sicherlich auch etwas zeitlos Cooles. Etwa so, wie einen "richtigen" Brief zu schreiben, zur Bank zu stiefeln und sich mit Menschen hinter einem Schalter zu unterhalten, sich durch die Zeitung zu blättern und eine Schallplatte aufzulegen. Oder einfach mal eine Woche lang zu warten, bis die ersehnte Sendung im Fernsehen läuft."
Boah. Mein Puls rast geradezu. Das ist echt saucool und außergewöhnlich. Extremsport für weiße Großstadtspießer.