laut.de-Kritik
Musikalisches Nachschlagewerk für Blues Neu- und Quereinsteiger.
Review von Kai ButterweckSeit sich Ben Harper und Charlie Musselwhite vor über zehn Jahren während einer Studiosession mit John Lee Hooker das erste Mal über den Weg liefen, brannte das Verlangen nach einer intensiven Zusammenarbeit in den beiden Genre-Legenden. Im vergangenen Jahr schaffte man es endlich, die zahllosen Termine der beiden Bluesrock-Fetischisten so zu legen, dass man sich für mehrere Wochen gemeinsam in einem Studio einquartieren konnte. Das Ergebnis heißt "Get Up!" und präsentiert sich als kantiger Essenz-Bastard und musikalisches Einmaleins-Nachschlagewerk für alle Neo-Blues Neu- und Quereinsteiger.
Insgesamt zehnmal duellieren sich die beiden Herzblutmusiker auf authentischen Charakterstudien und versorgen Hard Times-Erinnerungen und verkrustete Herzschmerznarben mit heilenden Allwetter-Pflastern. Kein Zweiter entlockt der Blues Harp ähnlich viel Seele wie Charlie Musselwhite, und nicht viele huldigen dem Bluesrock mit einem so markanten und eindringlichen Timbre wie Ben Harper. Miteinander verschmolzen entsteht eine unnachahmliche Melange aus Trauer, Wut, Hoffnung und Schmerz, die alles zu Tage fördert, was die Branche ausmacht.
Ob mit Handclaps und Gospel-Einschüben ("We Can't End This Way"), krachender Jimi Hendrix-Attitüde ("I Don't Believe A Word You Say"), aufwühlender Lost Love-Melancholik ("You Found Another Lover") oder trippelndem Piano-Rock'n'Roll ("She Got Kick"): Ben Harper und Charlie Musselwhite hauchen der verstaubten Zeitmaschine wieder Leben ein und laden ein zu einer Tour ins antike Zentrum der Branche.
Es rauscht und knarzt, wenn sich die beiden Verantwortlichen mit ihren Backgroundgehilfen Jason Mozersky (Gitarre), Jesse Ingalls (Bass) und Jordan Richardson (Schlagzeug) in Gefilden verlieren, die High End-Verbraucher von heute nur vom Hörensagen ihrer Erzeuger kennen. Gepriesen sei die schwarze Scheibe, die vor dem Siegeszug der Digitalisierung die Wohnstuben unserer Ahnen mit Leben füllte. Danke an zwei mehr oder wenige alte Haudegen, die wieder einmal den Beweis erbringen, dass es sich in Zeiten voll von überproduzierter Oberflächenware mehr denn je lohnt, ab und an einmal einen Blick in den Rückspiegel zu riskieren.
3 Kommentare
Schön
wohl wahr!
Dieses Album macht mich auf ganzer Linie Glücklich. Dieser Lapsteel-Master Harper und sein Buddy mit Legendenstatus sollten öffters mal ne Session aufnehmen! Ben ist aber auch schon mehr als ein begabter Allrounder...hiermit hat er aber nochmal neue Höhen erreicht. 5 Sterne kann es nur nicht geben weil das Album zu schnell ausklingt!