laut.de-Kritik
Pyrotechnik, mannshohe, aufblasbare Fickfinger und eine ordentliche Live-Show.
Review von Alexander EngelenAls sich jüngst die Herren Kanye West und 50 Cent bei ihrer groß inszenierten Marketingoffensive einen Wettkampf lieferten, wer mehr Alben absetzt, fehlte eigentlich nur noch Eminem als dritte Blaupause für einen Rapper, der kommerziell noch was reißen kann.
Fiddy als harter Gangsterrapper mit Pop-Pimp-Attitüde, Kanye West als stylisher Musik-Bohemien für die modernen Performer und Eminem als kontroverser Rap-Antichrist für die weiße Mittelschicht. Denn im Grunde genommen waren es lediglich diese drei, denen man in den Umsatz-geplagten letzten Hip Hop-Jahren überhaupt noch zugetraut hat, Tonträger in Millionenhöhe zu verscherbeln.
Dass Eminem an dem fingierten Kampf der Rap-Titanen nicht teilnahm, war angesichts seiner musikalischen Motivation in der jüngsten Vergangenheit nicht weiter verwunderlich. Neben einer obligatorischen Best Of-Platte, einem halbgaren Mixtape-Aufguss zur Vorstellung des Freundeskreises und einer Charts-Single mit Akon hatten die Fans nicht viele Möglichkeiten, ihr Geld in Eminem-Produkte zu investieren. Es mehren sich jedoch die Gerüchte, dass sie dies 2008 bei "King Mathers" nachholen können.
Bis dahin verschafft dieser Live-Mitschnitt seines Konzerts im New Yorker Madison Square Garden mittelprächtige Abhilfe. 78 Minuten respektable Live-Show für diejenigen, die nicht dabei sein konnten, und für alle, die sich daran erinnern wollen, wie sie die traditionsreiche Konzerthalle mit lautem Gekreische füllten.
Eminem stoppte also bei seiner "Encore"-Tour vor zwei Jahren in New York und spielte im (natürlich) ausverkauftem Madison Square Garden. Genügend Stoff um diese Geschichte zu etwas aufzubauschen, was es nicht ist. Das Verkaufsargument: Der weiße Rapper muss hier eine unglaubliche Show liefern, um sich in der Geburtsstätte des Genres zu behaupten. Dicke Show ja, unglaublich außergewöhnlich nein. Denn bei einer Tour dieser Dimension unterscheiden sich die Gigs untereinander sicher nicht großartig. Dreistöckiges Bühnenbild, übergroße Leinwände, Pyrotechnik, mannshohe, aufblasbare Fickfinger und eine ordentliche Live-Show gab es sicher auch beim Stop im US-Äquivalent zur Arena auf Schalke. Und auch die Gästeliste mit den Kollegen von D12 und den Shady-Recken Obie Trice und Stat Quo sollte auch kein Spezifikum der Show in New York gewesen sein.
Eine 27 Songs starke Tracklist hört sich auf den ersten Blick natürlich beeindruckend an, ist es aber nicht. Denn bei jedem Song trällert Slim Shady jeweils nur eine Strophe und die Hook. Das Konzert erstreckt sich deswegen auch nicht über drei Stunden, sondern nur schlappe 80 Minuten. Das war zwar so schlimm für den Zuschauer im Madison Square Garden, denn dort hatten bereits Ludacris, Lil' Jon und 50 Cent die Bühne beackert. Für den Zuseher daheim ist das aber eher bitter. Zumal die DVD selbst keine weiteren Extras im zugegebenermaßen gut anzusehenden Menü anführt.
Der Mehrwert beschränkt sich also auf ein professionell aufgenommenes, definitiv unterhaltsames Konzert eines außergewöhnlich erfolgreichen Rappers. Da sieht man dann die schreienden (weißen) Teenies, wie sie ihren Helden feiern. Und tatsächlich kann man darin einen Widerspruch erkennen, wenn sich Eminem, der ja so überhaupt nicht als Aushängeschild des Genres taugen will, da vor weißen Suburban-Kids in der Geburtsstadt des Hip Hops einen Wolf rappt.
Da wird dann auch mal im zweiten Stock ins Klo gekotzt, bevor es zu Hasstiraden in Richtung Doppel-Ex-Frau geht. Die passenden Übergänge hat Regisseur Hamish Hamilton jedenfalls drauf. Denn irgendwie erinnert das psychotisch kreischende Mädchen mit Zahnspange schon an die Dame, die Eminem gerade derbe in seinen Texten würgt. Außerdem muss es schon ein super Gefühl sein, gemeinsam mit zehntausenden Fans die eigene Mutter live zu beleidigen: "Say 'Fuck You Debbie, Debbie!'" Unterhaltung also in erster Linie für den pubertierenden Nachwuchs mit Antihaltung. Hierzulande, im Gegensatz zu der amerikanischen Auflage (ab 15 Jahren!), sogar ohne Altersbeschränkung.
Den Fans der Detroiter Rap-Szene sei die DVD nichtsdestotrotz ans Herz gelegt, weil sie dort einen der letzten großen Bühnenauftritte von Eminem-Homie Proof erleben dürfen. Bis zu seinem Tod im April vergangenen Jahres stand Proof bei allen Eminem Live-Shows als Backup-MC an seiner Seite.
8 Kommentare
>Der Mehrwert beschränkt sich also auf ein professionell aufgenommenes, definitiv unterhaltsames Konzert eines außergewöhnlich erfolgreichen Rappers.<
Ich find ja allein den Review schonmal sehr unterhaltsam...!
Finde, die Review geht zu wenig auf Eminems schlechte Live-Performance ein. War echt enttäuscht, weil ich ihn mir live energischer vorgestellt habe. Aber er klingt genauso wie auf Platte. Warum dann für das Konzert bezahlen, wenn man das Gefühl hat, da würde jemand Playback rappen?
hab eh nie kapiert was an eminem so toll sein soll...
eminem war mal fast so groß wie gott.
isser immer noch!
wo ist bitte das neue album laut.de?
Hab auch schon nachgefragt.
Hauptsache Em erspart uns das vorstellen jedes einzelnen Spinners seiner "Crew", so wie das Jay Z bei seinem Abschiedkonzert gemacht hat.
Das war eigentlich genial, aber durch diese ganzen Pub-Heinis viiiiiel zu lang.
Naja, gucken und dann über Kauf entscheiden heißt die Devise.