laut.de-Kritik
Ungefähr so spannend wie 'Malen nach Zahlen'.
Review von Linus SchwankeBei Eric Claptons neuem Album geht die Fragestellung, was der Künstler auf dem Herzen hat, ins Leere - sofern man ein Trauerspiel erwartet. Aber Recht hat man schon mit der Annahme, dass "Back Home" eine Art Metapher ist. Tatsächlich benennt er die CD nach einem Gemüts- und Lebenszustand, doch singt er kaum darüber. Der inzwischen 60-Jährige muss nicht weiter über sich mitteilen, und er muss auch nichts mehr beweisen. Er genießt das Leben und "wieder daheim" zu sein, also nichts Profaneres, als eine eigene Familie und ein Zuhause zu haben.
Eric Clapton hat wieder geheiratet und ist in den letzten fünf Jahren Vater von drei Mädchen geworden. Sinnigerweise hat die Produktion von "Back Home" unterm Strich fast genau so lange gedauert. Auch das zeugt von Gelassenheit und spiegelt sein derweil recht bürgerliches Leben wider, mit Partnerin Melia, die "ein Konzept von Familie" hat, wie er unlängst sagte. Das erklärt doch eigentlich fast alles.
Es ist der CD unmissverständlich zu entnehmen: der Mann will musizieren - und sonst nix. Als Vollprofi und Idol (Graffities der 70er: "Clapton ist Gott") setzt er sich hin und lässt ganz easy seine Songs aus der Gitarre plätschern. Fehlerfrei und perfekt arrangiert. Leider geht diese Gelassenheit mit einer gewissen Belanglosigkeit Hand in Hand. Ganz hübsche Lieder zum Anhören und Mitsummen, jedoch nix zum schmachtigen Hinlauschen. Die Platte reißt einen nicht vom Hocker. Lediglich beim Titelsong "Back Home" spitzt man die Ohren - und das auch nur, wenn man John Denver mag.
Die Scheibe wurde wieder von der gewohnten Besetzung eingespielt, wobei auch Gäste zum Zuge kamen, deren Einflüsse nicht zu überhören sind: Steve Winwood, John Mayer, Chris Stainton, Stephen Marley oder Toby Baker - recht illustre Namen tauchen in den Credits auf. Auch im Nähkästchen der 70er wird gekramt, erkennbar an typischen Soul- und Reggae-Anleihen aus einer Zeit, in der Clapton sich probierte. George Harrison wird neu zitiert. Doch - wieder kein Alleingang. Traut sich der Mann denn auch mit 60 nicht, oder ist er einfach sehr gesellig? Man erinnert sich, dass Eric Clapton sich lange Jahre verweigerte, als "er" aufzutreten. Statt dessen mogelte er sich gerne innerhalb von Combos durch wie bei Cream oder den Yardbirds.
An sich war die Ausgangsbasis für "Back Home" ein musikalischer Malkasten, mit dem sich die tollsten Aquarelle hätten malen lassen. Nur macht Clapton nicht viel daraus. Der Vortrag ist zwar absolut professionell, sauber gemischt und in dieser Hinsicht über alle Zweifel erhaben, jedoch kaum kreativ. Eher so spannend wie 'Malen nach Zahlen'.
Was mich besonders irritiert: Clapton gab erst kürzlich in einem Interview zu Protokoll, er sei ein Minimalist, der nicht von irgendeinem Chor oder von Spezialeffekten übertönt werden will. Das sei doch "Zirkus". Nun zieht sich genau eine dieser Komponenten, nämlich ein souliger Chorus, wie ein roter Faden durch die Produktion, und übertönt ihn teils aus Lungeskräften.
Endlich daheim. So genießt Old Slowhand die Abendsonne im Korbstuhl auf einer Veranda am 461 Ocean Boulevard. Neben ihm stehen die gepackten Koffer für die kommende Tour.
1 Kommentar
"Man erinnert sich, dass Eric Clapton sich lange Jahre verweigerte, als "er" aufzutreten. Statt dessen mogelte er sich gerne innerhalb von Combos durch wie bei Cream oder den Yardbirds."
Diese Aussage zeugt von profunder Unkenntnis des Artikelschreibers. Gerade die Yardbirds und Cream waren die erste und dritte Station des E.C. im professionellen Business, die ihm erst einen Namen machten, genausogut könnte man behaupten, dass sich E.C. und Peter Green bei den Bluesbreakers durchgemogelt haben oder Peter Green bei Fleetwood Mac, das "durchmogeln" (welch ein Begriff, sic!) fing (wenn überhaupt) erst mit Derek & the Dominoes an.
Kleiner Tip: Lies mal die Autobiographie, dann gelingt es, derartige Lapsi zu vermeiden.