laut.de-Kritik
1991 war Clapton noch relevant.
Review von Franz MauererEs gibt ja Leute, die suchen sich für den Sommerurlaub bewusst dicke Historienschinken raus, im Massenbuchhandel meist durch Jahreszahlen (seriös!) und großbusige Frauen (verkauft sich!) auf dem Cover erkennbar. Auf dass die pure Quantität sie über die Zeit bringe, die sie entspannend, vulgo gelangweilt, auf und im Liegen verbringen. Die 47 Songs des Konzertmitschnitts des Altmeisters Eric Clapton wäre dann wohl was für sie.
Clapton kommt nicht ganz heraus aus einer Position, in die ein Dylan, McCartney, geschweige denn ein Young, sich nie bringen lassen würden: Der Engländer ist nicht mehr relevant. Das letzte musikalisch interessante Werk von ihm war "Reptile" von 2001, das zwar gar nicht mal besonders gut war im Gegensatz zu den guten Alben "Me And Mr. Johnson" und "Clapton", aber doch mehr ist als eine Nachlassverwaltung anderer Künstler. Clapton muss niemandem mehr etwas beweisen, der Unterschied zwischen ihm und einer Clapton-Coverband besteht aber nur noch darin, dass eine solche mehr Clapton-Songs spielen würde.
Deshalb wenden wir unsere Ohren ab vom Clapton der Neuzeit und widmen uns dem von 1991, der kurz vor seinem Live-Überhit "Unplugged" den Live-Zusammenschnitt "24 Nights" veröffentlichte. Dieser war tatsächlich sogar aus 42 Konzerte in der Londoner Royal Albert Hall zusammengeschnitten. Das damalige Album wird durch das nun vorliegende "The Definitive 24 Nights", das aus den auch separat erhältlichen Teilen "24 Nights: Rock", "24 Nights: Blues" und "24 Nights: Orchestral" besteht, erweitert. Dazu kann man neben satten acht LPs auch mehrere Filmchen erstehen.
Auf der Rock-Scheibe finden sich strunzlangweilige Schmonzetten wie "Breaking Point" aus der Feder des ewig überschätzten Jerry Lynn Williams, viel Gekniedel auf "Before You Accuse Me" von Bo Diddley, aber auch das wunderschöne, von Clapton mit Robert Cray geschriebene "Old Love" und das wirklich atemlose "Tearing Us Apart". Auffällig ist einerseits der flache Sound, der angesichts der Aufnahmedaten nicht verwundert, aber halt trotzdem stört, und dass die Songs, bei denen Claptons selbst in den Credits auftaucht, deutlich gelungener ausfallen als die Coverversionen.
"Keys To The Highway" drückt uns die Schlüssel zum Bluesteil in die Hand, auf dem sich ausschließlich Coverversionen finden und bei der Buddy Guy, Albert Colins und Robert Cray als Gastmusiker an Bord sind. Auch hier schwankt die Qualität beträchtlich, auch wenn die Gäste helfen, ein gewisses Grundniveau zu halten. Wie schon im Rockteil ist der Anteil an Gitarrenmucktertum, der live bestimmt gut rüberkam, schwer erträglich, siehe "Everything's Gonna Be Alright", der einem genau diesen Glauben raubt. Die ganz großen Ausschläge bleiben hier aber sonst aus, "My Time After A While" behauptet sich noch am besten, da es eine Dramatik entfaltet, die schunkeligen Songs wie "Black Cat Bone" fehlt. Die Mundharmonika funktioniert auf "It's My Life Baby" und wird deutlich zu selten eingesetzt.
Wir nähern uns orchestral dem Ende und gleichzeitig dem stärksten Teil der Zusammenstellung, begleitet durch das National Philharmonic Orchestra. Das beginnt schon mit "Crossroads", aber noch stärker auf den hier vertretenen Clapton-Songs wie "Bell Bottom Blues" und "Layla". Die Gravitas durch das Orchester tut den Songs gut und vermittelt eine Live-Immersion, die die anderen Teile nicht hinbekommen. Trotzdem fügt auch dieser dritte Teil den Songs keine neue Ebene hinzu. Jeder dieser Songs lässt sich in besseren (Studio-) Versionen hören. Insgesamt ist "24 Nights" eine Materialschlacht, die nicht überzeugt.
2 Kommentare
Eigentlich brauch' ich nur eins zu sagen: Hab die Originalausgabe seinerzeit besessen, mich lange geärgert und sie dann aussortiert... Beseelt von der eigenen Bedeutung, aufgeblasen mit Gästen und Symphonieorchester (grauenvoll, sorry Franz) komplett seelenlos abgespult, taugt es vielleicht zur Beschallung im alt-68er-Seniorenheim, zu mehr auch nicht. Live mit sowohl Steve Winwood als auch mit Cream war Clappi nochmal hörenswert, ansonsten seit ca. Just One Night weitgehend irrelevant bzw. bestenfalls sich halbwegs gelungen selbst wiederholend. No mercy, Mr. Clapton - 1 Punkt
Jo; aber die genannten sind alle im Niedergang. Vielleicht springt dies bei Clapton besonders ins Auge, aber der Fakt ist bei diesen nicht von der Hand zu weisen.