laut.de-Kritik
Der italienische Höschenbefeuchter meldet sich zurück.
Review von Giuliano BenassiSo langsam beginnt es zu weihnachteln: Die Tage sind erheblich kürzer geworden, in den Alpen ist der erste Schnee gefallen, die Christstollen- und Lebkuchenberge in den Supermärkten sehen nicht mehr so exotisch aus wie noch vor wenigen Wochen.
Auch in der Musikbranche ist eine besondere Stimmung zu spüren: Die ertragreichsten Wochen des Jahres stehen bevor, und die Regale füllen sich allmählich mit einer Flut an Neuveröffentlichungen und Best-Ofs, da sich sowohl Musiker als auch Labels beeilen, rechtzeitig etwas auf den Markt zu bekommen, das möglichst unter den Tannenbäumen liegen soll.
Da ist es nicht erstaunlich, dass "Stilelibero", die neue CD von Eros Ramazzotti, plötzlich am 30. Oktober erscheint, obwohl sie ursprünglich erst fürs nächste Frühjahr angekündigt worden war. "Eros ist ein Fast-Seller und verkauft bereits in den ersten zwei Wochen mehr als die Hälfte seiner Platten. Es wäre schade gewesen, uns die Weihnachtszeit entgehen zu lassen," gab der Chef des italienischen Zweigs seines Labels unverblümt zu Protokoll.
Das ist in diesem Fall auch nicht weiter schlimm. Kohle ist Kohle, zudem kann man bezweifeln, dass durch ein paar Monate mehr ein wesentlich anderes Produkt zustande gekommen wäre. Eros ist eben Eros, und ein erfolgreiches Markenzeichen ändert man nicht.
Man braucht nicht lange, um fest zu stellen, dass alle Befürchtungen zutreffen: Die Lieder handeln mal wieder von Liebe in allen Wandlungen, die Stimme ist nach wie vor nasal, die Arrangements sind unverändert Pop à la Creme, und der Schmalz fließt schon nach den ersten Takten gnadenlos aus den Lautsprechern. Nichts Neues also. Auch ein Duett mit einem ausländischen Popstar darf nicht fehlen; nach Tina Turner ist nun Cher an der Reihe und mit dem weinerlichen "Più Che Puoi" dürfte das neue Duo an vergangene Erfolge problemlos anknüpfen können.
Die Gefahr, "Stilelibero" von einer unwissenden Oma oder Patentante geschenkt zu bekommen, ist nicht zu unterschätzen. Auf dem CD-Cover sieht Eros Ramazzotti im abgewetzten Armani-Outfit als Pseudofischer durchaus knackig aus, außerdem bilden die absehbare Position in den Charts und der Sadismus mancher Verkäufer unberechenbare Variablen. Denen, die "Stilelibero" am 24. Dezember allen Drohungen zum Trotz in den Händen halten sollten, empfehlen wir den Umtausch (z.B. gegen die Neue von P.J. Harvey oder Paul Simon).
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