laut.de-Kritik
Wetter ist immer.
Review von Max Brandl"Some think I'm clever / Others think I'm the one who makes too many references to weather - or not." Evidence eröffnet den Titeltrack seines dritten Solo-Albums natürlich mit einem Wortspiel aufs Wetter - oder auch nicht. Ist es doch auch ein Rückgriff auf eine der markantesten Lines vom 17 Jahre zurückliegenden Major-Debüt seiner Band Dilated Peoples.
Es bleibt nicht bei dem einem Querverweis: "Weather Or Not" ist ein Amalgam aus unzähligen Referenzen auf Hip Hop zusammen mit einer erstklassigen Besetzung am Gastverse. Es ist die Schilderung existentieller Lebensumbrüche, erweitert um Mailbox-Mitschnitte über nicht abgeholte Lautsprecher. Es ist die Kunst perfekt eingearbeiteter Film-Samples als Übergang zwischen denjenigen Stücken Musik, mit denen Michael Perretta seit 25 Jahren an seinem ganz eigenen Entwurf von L.A.-Rap arbeitet.
"Everyone's an imitation / Spitters copy G-rap, the rest are on some Drake shit. / I took my time to find my own shit - 10,000 hours. / No borrow-type or loan shit / Cause I'ma own it."
Das ist, speziell auf dem breitbeinigen Beat von "10,000 Hours" samt seiner staatsmännischen Dre-Cuts freilich ein wenig holzschnittartiger dargestellt als zutreffend. Aber Rap ist halt auch fürderhin kein Wettstreit um die diplomatischste Formulierung.
Und es ist auch die Ausnahme: "Weather Or Not" ist vor allen Dingen eine weitere selbstbewusste Weatherman-LP, die im Streaming-Mahlstrom der allgegenwärtigen Playlists eine klare Antwort liefert auf die Frage, ob das Konzept "Album" denn überhaupt noch einen Sinn habe.
Dies geschieht ohne explizite Beschäftigung mit dieser Frage, sondern ganz einfach in Form einer kohärenten Platte, deren 16 mitunter stark unterschiedliche Sound-Entwürfe die unverkennbare Stimme und dem stoisch-dope Flow von Evidence perfekt zusammenhalten.
Dass er dabei hinsichtlich des thematischen Überbaus nicht in Konkurrenz zum lyrischen Schaffen Lil Pumps treten möchte, sei hier in erster Linie hinzugefügt, um diesem Text mit der Erwähnung von Lil Pump ein wenig mehr SEO-Relevanz zu bescheren.
"I write to Alchemist 'cause others don't inspire me." Gefühlt vollständig entkoppelt von den aktuellen Entwicklungen des Genres in den USA arbeitet Evidence seit jeher mit einem festen Zirkel an Leuten, allen voran seinem Stepbrother Alchemist, aber auch mit DJ Premier, DJ Babu oder Nottz, um hier längst nicht alle zu nennen.
Ja, alte Herren, aber nein, keine Spur altmodisch. "Same vinyl crates but I'm coming up with new flips." "Weather Or Not" macht so mustergültig wie unaufgeregt klar, wie eine moderne und kreative Auseinandersetzung mit der BoomBap-Metrik hier und heute zu klingen hat.
Sei es die melodisch dahin rollende Vorab-Single "Throw It All Away", die tiefenentspannte Wildwest-Gitarre "Runners" zusammen mit L.A.-Rap-Durchlaucht Defari oder das geil verstolperte "Bad Publicity", auf dem Evidence und Krondon noch einmal kurz vormachen, wie man auf einer staubtrockenen Drum, ein wenig Piano-Geklimper sowie ein paar eingestreuten Geräusch-Samples und Vocal-Cuts in Großbuchstaben RAP an die Wand schreibt. Allesamt riesengroße Hits in low key Camouflage.
Apropos Muster: Pril-Blumen sprießen vor dem geistigen Auge bei dem Flower-Power gewordenen Beat zu "Powder Cocaine". Das weiße Pulver wird im Rap-Kontext für gewöhnlich deutlich weniger friedliebend vertont. Noch tiefer aus dem Archiv stammt der verschlafen-übersteuerte Grammophon-Sound von "To Make A Long Story Longer", auf dem Evidence und Jonwayne ein wenig über den bisherigen Weg sinnieren.
Das ganz große Wegdriften ermöglichen letztlich das hypnotisch wabernde "What I Need" sowie die fernöstlich-meditative Einlassung "Rain Drops". Letzteres nimmt einen genau zur Halbzeit von "Weather Or Not" zur Seite, setzt für drei Minuten Uhrwerk, Schwerkraft, und ToDo-App außer Kraft und macht einem klar, wie verdammt großartig es sein kann, übers Wetter zu sprechen.
6 Kommentare mit 8 Antworten
Fuer mich einer der langweiligsten rapper ever.
Anscheinend verstehst Du kein Wort....
Ja, geh' mal wieder mit Erbsen spielen, Kollege.
Same here. Evidence ist unhörbar
hä? wieso das denn bitte. Nur wegen seinem nasalen vortrag?
Finde ich absolut fazinierend, wie manche einen MC einfach nur unfassbar dope finden (ich), und der für andere unhörbar ist. Live ist der Mann übrigens auch die Bombe (finde ich)!
Ich finde ihn auch spitze!
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
Naja, Mister Slow Flow halt, aber Ev kann man imo nicht haten, Dilated forever! Plus Alchemist quasi als Hausproduzent.
Freue mich drauf. Wobei mich "Throw it all away" nicht so gekickt hat, was aber nur daran lag, dass ich das Sample schon von Apollo Brown kannte
https://www.youtube.com/watch?v=CUtj0X3BQtk
Das Sample ist klasse, aber ja, es ist total abgenutzt... madlib, apollo brown... wahrscheinlich haben es sogar noch mehr Leute benutzt.
Gehe damit konform dass ev unhatebar bleibt! guter mann, ansonsten auch gute beat-auswahl.
Und davor hat es Madlib schon benutzt. Am besten von Allen.
Trotzdem ist Evidence dope.
Schon mal ein Highlight 2018. Geiles Album! Volle Punktzahl. Fertig.
nice!
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.