laut.de-Kritik

Zwischen Experimentierfreude und Rock-Pop-Formelsammlung.

Review von

Fast auf den Tag genau drei Jahre nach dem umstrittenen Vorgänger "American Beauty / American Psycho" legen Fall Out Boy mit "Mania" nun wieder einen intensiven Longplayer vor. Dabei wurde die Platte schon heftig für September des Vorjahres beworben, bevor das Quartett aus Chicago den Verkaufsstart auf Anfang 2018 verschob, um die gerade mal zehn Songs "ihren Ansprüchen gerecht" pressen zu können. Und irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass sie das geschafft haben.

Bei der insgesamt einigermaßen poppig angelegten Klangkulisse verwundert es kaum, dass sich Fall Out Boy mit Jesse Shatkin und Jonny Coffer erfahrene Produzenten an die Regler holten, die zuvor schon mit Pop-Ikonen wie Pink, Kelly Clarkson und Emeli Sandé zusammenarbeiteten. Und doch schaffen die Rocker aus Chicago auf ihrem mittlerweile siebten Studioalbum eine bunte Songpalette, die mit differenten (Klang-)Farben und Genres spielt, ohne dabei dem typischen Fall Out Boy-Sound untreu zu werden.

Stumps gewohnt eindringliches Stimmorgan in Verbindung mit den synthetischen Gitarrenflächen und zuverlässiger Basslinie fängt die zuweilen signifikanten Ausflüge in umliegende Genre-Welten von Hip Hop, R'n'B oder Latin gekonnt auf. Raus kommt eine feine Mischung aus Ballade und Up-Tempo zwischen Experimentierfreude und altbewährter Rock-Pop-Formelsammlung.

Strahlt das Album insgesamt eine eher düstere Atmosphäre aus, nehmen sich Fall Out Boy wie in "Wilson (Expensive Mistakes)" nicht immer ganz ernst: "I was gonna say something / That would solve all our problems / But then I got drunk / And I forgot what I was talking about". Aha. Dabei begibt sich die Radio-taugliche Melodie über die simple Harmonik in Ohrwurm-Gefilde.

Dort zu verorten ist sicherlich auch "Champion". Die vokalen Klimmzüge des brachialen Refrains tragen die Handschrift Sias, die sich an dem selbstbewussten Werk als Songwriterin beteiligte. Die eingängige Nummer mit den immer wieder schweigenden Drums würde in ihrer musikalischen Plakativität auch bestens als Filmsoundtrack funktionieren.

Die Tendenz zum vergnüglichen Kopfnicken erfährt spätestens in "Young And Menace" ihren Höhepunkt: Nach der fast Rap-ähnlichen Strophe gipfelt der Gesang im rauschhaften Dubstep-Refrain, der mit verzerrter Instrumentalparade und markantem Hookline-Sampling aufwartet.

Und selbst unter dem absurd anmutenden Titel "Stay Frosty Royal Milk Tea" (What!?) verbergen sich durchaus ehrliche Zeilen, genauso wie im träumerischen "The Last Of The Real Ones", worin sich Stump über das repetitive Piano lyrisch in höhere Sphären begibt: "You are the sun and I am just the planets / Spinning around you".

Den Reichtum an Kontrasten der Platte befeuert nicht zuletzt "Church", das unvermittelt mit semantisch aufgeladenem Orgelklang und Kirchenchor-Einwürfen aufwartet. Das unaufdringliche Spiel mit 3/4- und 4/4-Takten bemerkt man dabei frühestens beim zweiten Durchlauf. Die textliche Verbindung zur Arien-haften Power-Ballade "Heaven's Gate" im 6/8-Schwung ist offensichtlich, dabei schenkt der Gospel-Schmachtfetzen mit Augenzwinkern der Platte eine weitere Dimension.

Allerdings wird der ausgeklügelte Mix in zehn Tracks schon im Nu zur musikalischen Geschichte. Was bleibt, ist der Repeat-Knopf.

Trackliste

  1. 1. Stay Frosty Royal Milk Tea
  2. 2. The Last Of The Real Ones
  3. 3. Hold Me Tight Or Don't
  4. 4. Wilson (Expensive Mistakes)
  5. 5. Church
  6. 6. Heaven's Gate
  7. 7. Champion
  8. 8. Sunshine Riptide feat. Burna Boy
  9. 9. Young And Menace
  10. 10. Bishops Knife Trick

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