laut.de-Kritik
Die Krautrocker frönen dem durchgelöteten Klapsmühlenjazz.
Review von Ulf KubankeDie beiden Ur-Faust Mitglieder Jean-Hervé Peron und Zappi Diermaier stehen auch 43 Jahre nach Bandgründung immer noch für innovative Konzepte. Mit Studioplatte Nr. 12 - "Just Us" - bieten sie einen weiteren neuartigen Ansatz im Reigen ihres anscheinend nimmermüden Experimentrauschs. Getreu dem Albumtitel liefern sie zwar ein lupenreines Faustwerk ab. Gleichzeitig laden sie jeden Hörer zur potentiellen Kollaboration ein. Man darf sich die Tracks schnappen und weiterentwickeln. Die schicksten Varianten werden danach auf der kommenden Tour gemeinsam aufgeführt.
Ist das nun Faust 3.0. oder einfach die konsequente Entwicklung jenes Improvisationsgeistes, der sie bereits in den frühen 70ern zur Krautrocklegende machte? Eine Antwort darauf geben sie natürlich nicht. Wer jedoch befürchtet, die aktuelle Idee entspränge einem altersbedingten Mangel an Kreativität, darf sich beruhigt zurücklehnen. Die neuen Stücke klingen so anarchisch, energetisch und liebenswert durchgeknallt wie eh und je.
Die eigene Messlatte ist hoch. Die Meriten der Krautrock-Vergangenheit sind Lorbeeren für die Ewigkeit, aber auch gleichzeitig eine echte Hypothek für die Ausgangsposition von "Just Us". Doch derlei Überlegungen oder Erwartungshaltungen interessieren die beiden Fäustlinge zum Glück einen feuchten Kehricht. Perons Wahlspruch lautet seit Jahrzehnten ohnehin "Art is Error!" Entsprechend frisch und überraschend zeitlos agieren sie auf sämtlichen neuen Songs.
Von Anfang an geht es zur Sache. Der Einstieg "Gerubelt" zieht die Aufmerksamkeit binnen Sekunden magnetisch aauf sich. Jean-Hervés Bass kreiert einen hypnotischen Bann, der sich etwas später in donnerndem Gitarrengewitter entläd. So ein Lied hätten Reed, Cale und Warhol zu besten Velvet Underground-Zeiten auch nicht von der Factory-Bettkante geworfen. Mit dem frankophonen "Sur Le Ventre" gibt es hernach einen knochig zappelnden Endzeit-Chanson.
Ihr Instrumentarium bleibt abgefahren. Neben Bass, Gitarre und Drums in teilweise ungewohnt folkloritschem Geand ("Gammes"), setzen sie auch Kuriositäten wie etwa eine Nähmaschine als Rhythmusgeber ein ("Nähmaschine"). Tradierte Muster zweckenfremden sie mit schelmischer Lust. So klingt das Piano im beunruhigenden "Nur Nous" als erleide es gerade einen Nervenzusammenbruch. Nicht nur hier finden sich Momente, die auch Freunden des Hauses Einstürzende Neubauten gefallen sollten.
Im letzten Drittel von "Just Us" läuft das Duo dann komplett zur Hochform auf. Der für sie typische und konsequent ausgelebte Sinn für musikalischen Dadaismus bricht vollends durch. Fausts Ansatz darf kindlich sein, das Ergebnis gerät indes niemals kindisch. "Eeee..." gibt sich die Ehre als durchgelöteter Klapsmühlenjazz. "Ich Bin Ein Pavian" bietet inmitten des scheinbaren Klamauks große Zeilen wie: "Mit welchem Herz stirbst du zuerst, wenn du von deiner Geliebten gehst?" Und der psychedelisch angeschickerte Schlusspunkt "Ich Sitze Immer Noch" könnte mit Fug und Recht auch "Ich Hab Immer Noch Einen sitzen" heißen.
So gelingt Faust ein weiteres Mal die Durchbrechung jeglicher Hörgewohnheit, ohne dabei das Lächeln auf den Lippen einzubüßen.
1 Kommentar
Es lohnt sich doch immer mit seiner Jahresbestenliste zu warten. jUSt kommt bei mir auf die 15