laut.de-Kritik
Wer hat noch immer sein Limit nicht erreicht?
Review von Dani Fromm"Ich bring' euch alle um, falls mein Album floppt." Handfeste Drohungen aus dem Munde eines Mannes, bei dem man sich nur auf eine Sache verlassen darf: "Ich benehme mich mit der Axt im Walde" ... Überraschung! ... "so wie die Axt im Walde".
Das ist mal wahr: Favorite schlägt mit "Christoph Alex" zum dritten Mal eine Schneise in die weiträumig verödete deutsche Rap-Landschaft. Der Kerl hat ganz offensichtlich nicht alle Latten am Zaun, pflegt sein durchgeknalltes Psycho-Image aber ähnlich hingebungsvoll, wie andere die Chromfelgen ihrer Wunschträume wienern und ihre imaginären Knarren polieren.
Wer angesichts des persönlichen Titels - Album Nummer drei erscheint unter seinem Klarnamen - mit einer tiefgehenden, womöglich sogar gefühlsduseligen Analyse des Favorite'schen Daseins gerechnet hat, wird weitgehend enttäuscht. Die tragische Geschichte des Christoph Alex, will meinen der verstörend frühe Verlust beider Elternteile, geht zweifellos als eine der Ursachen für die emotionale Schlagseite des Protagonisten durch. Diese Thematik wird zwar hie und da kurz angerissen. Für schwermütige Nabelschauen ist Favorite aber immer noch nicht der Typ.
Stattdessen flüchtet er sich in garstige Gewaltphantasien, Randale-Rundumschläge gegen Freund wie Feind und großmäuliges Spinnertum. Was ein Kollege angesichts des Vorgängers "Anarcho" konstatierte, gilt ungebrochen fort: "Mir ist es offen gestanden schleierhaft, wie man 20 Tracks lang rappen und dabei so dermaßen wenig erzählen kann wie Favorite", schrieb Philipp Gässlein einst.
Storytelling jedenfalls bieten die Wortschwälle aus "Christoph Alex" nicht. Geschichten reißt Favorite bestenfalls an, sie versacken in wirren Assoziationen, Schimpfkanonaden und einer schier mit Händen greifbaren nihilistischen Weltsicht. Im Grunde schadet das überhaupt nicht: Fav wäre nicht Fav, setzte er nicht auf die Meinung eines jeden anderen - außer vielleicht auf die seines nichtsdestotrotz bei jeder Gelegenheit fröhlich geschmähten Labelbosses Slick One - einen dampfenden Haufen.
Da er nicht am Gängelband wie auch immer gearteter Konventionen zappelt, rappt der Anarcho-Harlekin in einer Weise flüssig, dass sich manch anderer noch eine dicke Scheibe davon abschneiden könnte. Zudem hat er sich, was gerne und auch hier wieder reichlich eingesetzten Gesang betrifft, deutlich gesteigert.
Mit Vergleichen des Kalibers "Jetzt zieht sie sich aus. Ihre Haut ist absurd. Sie hat Ausschlag wie Lil Jons Audiospuren" landet Favorite zudem satte Volltreffer in meinem Humorzentrum. Trotzdem - und die Frage stellt er in "Alle Scheisse" selbst: "Wer hat noch immer sein Limit nicht erreicht?" Schade, eigentlich.
Der Eindruck lässt einen einfach nicht los: Favorite könnte noch viel mehr. Vielleicht würde es helfen, die eigene Arbeitseinstellung ein bisschen zu überdenken: "Ein Tag Studio, acht Tage chillen. Und dann wieder ans Mikro, ein paar Bastarde killen." Ich wage gar nicht, mir auszudenken, was passieren würde, drehte er das Verhältnis einmal um. Eine Schneise würde dann wohl nicht reichen, wir bekämen es mit flächendeckender Brandrodung zu tun.
Vielleicht ließe sich ein wenig der gewonnenen Zeit auf überlegtere Auswahl der Beats verwenden. Nix gegen Selfmades Hausproduzent Rizbo: In der ersten Liga der Beatschmiede dieses Landes mischt er aber einfach nicht mit - vielleicht genau deswegen, weil seine durchaus einfallsreichen Arrangements ärgerlich, weil unnötig oft Tiefe und Wucht vermissen lassen.
Die übrigen zum Mischpult gebetenen Reglerschieber liefern ebenfalls keine auf Anhieb ins Ohr flutschenden Hits. Vielmehr fügen sie sich in die ausgelobte Soundästhetik - meist entweder schwermütiges Piano mit ein bisschen Synthie-Backgound oder Kasperle-mäßig Arme-schlenkernd - als wirklich abwechslungsreich empfinde ich das nicht.
Die Feature-Gäste, ob Label-Kollege Kollegah, Bass Sultan Hengzt oder die 257ers (Never heard of these clowns, übrigens. Vielleicht ein Fehler) bewegen wenig. Einzig der ekelhaft schmachtende Sahin in "Blind" und ein herrlich spinnerter Orgi (in "Run Johnny Run") fallen ein wenig aus dem Rahmen - einmal negativ, einmal positiv. Und - ebenfalls positiv - Carolin Kebekus. Die battlet - was nicht schwer, aber zumindest respektabel ist - besser, als die versammelte deutsche Standup-Comedy-Szene witzelt.
17 Kommentare
Kann der Review eigentlich nur Recht geben (obwohl hier schon sehr wenig auf die einzelnen Tracks eingegangen wird :-/)
Seit seinem letzten Album hat sich nichts verändert, was er persönlich ja in Interviews auch zugibt. Potential wäre definitv einiges da.
Vom Kollegah-Feature bin ich sehr enttäuscht und den Track mit Sahin hätte er sich generell sparen können. 3 von 5 gehen in Ordnung. Ich würde alle Tracks mit 3 bewerten (mit der Ausnahme von Pyramide, Blind und Gangsta mit 2)
Das einzigst Gute auf dem Album ist der Kebekus Part. Besonders die ersten 20 Sekunden von ihr sind schon besser als sein kompletter Part davor. Wenn man sich die Features anguckt weiß man schon wie mies die Tracks sind.
Ansonsten kann man dem Herrn Gässlein nur zustimmen.
Schön, dass hier ENDLICH mal jemand etwas Positives über Orgi schreibt. Grandioser Künstler.
Das Album interessiert mich aber irgendwie nicht.
Obwohl einer meiner Top-MCs in Deutschland, gelingt es ihm zum wiederholten Male mich zu enttäuschen (siehe Anarcho). Stimme voll und Ganz der Review zu. Hab aber trotzdem das Gefühl das da nicht wirklich mehr drin ist.
ist nicht die beste platte, aber alleine die 257ers heben die cd total an. die sollte jeder mal abchecken.
ich hoffe es wird eine review zu deren album geben!
"Meine Rhymes sind immer satt, da ich aus Essen bin." Wer solcherlei Texte verfasst, sollte eigentlich paternalistisch schon ignoriert werden.