laut.de-Kritik
Punk darf auch erwachsen werden.
Review von Steffen EggertEigentlich kaum zu glauben, dass eine knotternde Politpunkband aus einem Nest in Mecklenburg-Vorpommern mittlerweile auf sieben, recht hoch in den hiesigen Charts platzierte Studioalben zurückblicken kann. Glaubt man ihren gerne selbstreflexiven Texten, können sie es wohl selbst am wenigsten fassen. Die Band mit dem ungelenken Namen und dem höchst umtriebigen, scheinbar kaum verbiegbaren Frontmann gilt immer noch als Sprachrohr und Aushängeschild der linken und antifaschistischen Szene, deren Relevanz derzeit als unbestritten und gelten sollte.
Bereits auf ihrem letzten Album wurde eine deutliche Abkehr vom rein rotzigen, deutschen Ska-Punk deutlich, die allerdings klar zugunsten einer frischen und experimentierfreudigeren Seite von Monchi und Kollegen ausfiel. Die neue Langrille macht weitere Zugeständnisse an einen eher sauberen Indierock-Sound, und erneut wurde offenbar sehr viel Wert auf eine qualitativ hochwertige Produktion gelegt.
So kommt gleich der Titeltrack zwar etwas klinisch, dafür ausgestattet mit allem, was man von einer gestandenen Institution erwarten kann und überaus gut gelaunt um die Ecke. Sympathisch, aber textlich wenig innovativ, erzählt man hier vom gemeinsamen Aufstieg und feiert sich. "Nicht immer schlau, aber immer hochmotiviert" heißt es da, das kann man gut stehenlassen.
Die stets präsenten Bläserparts vereinen sich wie gewohnt auf den Punkt mit den Ska-Rhythmen und jeder der Beteiligten beherrscht (mittlerweile) sein Instrument. Alleine, wie Bass und Drums zum gemeinsamen Fundament zusammenfinden, kann sich jederzeit hören lassen. Inhaltlich sowie musikalisch nicht ganz unähnlich gibt es mit "Manchmal finde ich dich scheisse", eine Kollabo mit Rapper FiNCH, der hier allerdings singt. Völlig schlau aus dem Song wird man zwar nicht, aber Spaß macht er allemal.
Selbstverständlich lassen sich die Filets auch über die derzeitige Lage im Land aus und tun dies in Stücken wie der catchy Anti-Ode an einfache Menschen "Endlich auf Reise", oder "Grüße ins Neandertal", wobei vor allem Letzteres durchaus Bierzeltvibe verbreitet. Besonders die "Dö dö döps", schön verpackt in eine Nummer-Sicher-Melodie, hätten nicht unbedingt sein müssen. Allerdings stellt sich die Frage, ob nicht genau Bierzelte in der Provinz die perfekten Adressen für Anti-Nazi-Liedgut sind, oder? Handwerklich ist alles in feine Sahne, textlich muss man aber teils mehr als ein Auge zudrücken.
Aufwachsen im ostdeutschen Hinterland war sicherlich hart, wie in "15 Jahre" sehr drastisch dargestellt. Einfacher und klassischer Bläserpunk trifft auf Korn mit Sprite, blutige Auseinandersetzungen mit den Dorffaschos nebst Referenz an die Frankfurter Chefjammerer. Dem Alkohol huldigen die Jungs auch im für sich sprechenden "Besoffen sein", einem fröhlichen, einfachen und launigen Punksong, der natürlich auch mit Anlauf keine ernstzunehmenden lyrischen Ergüsse enthält. Aber, sind wir ehrlich: Lieder übers Saufen gewinnen in dieser Welt eh keinen Literaturnobelpreis.
Zum Ende des Albums hin steigt die bisher bereits grundsolide Qualität der Stücke merklich an. "Gut, dass ich weiß" stellt sich als regelrechte Perle heraus, hier passt alles. Anspruchsvolle Riffs, hymnenhafter Refrain und ein angenehm an The Clash erinnernder Mittelteil und ausladende Melodien. Leicht verklausuliert passt hier auch der textliche Inhalt. Nicht weniger hochwertig und doch ganz anders schlägt die Ballade "Haut an Haut", eine Liebeserklärung an eine neue Erdenbürger*in überaus positiv zu Buche. Diese sanften, wirklich tief emotionalen Töne stehen Monchi und Co. überraschend gut. Auch der hier nur sehr dezente Bläsereinsatz und der langsame Spannungsaufbau tragen ihren Teil bei.
Die trotzig fiese, aber sehr authentische Trennungsgeschichte in "Jungs und Kokain", bei der Miss Platnum als etwas ungewöhnliches Überraschungsfeature mitwirkt, zählt aebenfalls zu den Höhepunkten der Platte. Die Dame schafft es auf wundersame Weise, leichten Soul in den Sound zu bringen, im Duett mit Monchi macht sie alles richtig. Im nicht weniger großen Finale "Eine rauchen wir noch", das mit gut durchdachten Parts, offenen Akkorden, Chören und einer wärmenden Stimmung besticht, wird bereits angedeutet, dass es hier noch lange nicht zu Ende geht. "Wir beide ham noch vieles vor, aber keine Lust zu gehen / Wir bleiben hier". Okay, da haben wir nichts dagegen!
Rein musikalisch lässt sich wie schon beim Vorgänger wenig beanstanden, Punk darf eben auch erwachsen werden. Jetzt noch ein paar Plattitüden streichen, und wir sind wieder gänzlich auf Kurs.
4 Kommentare mit 6 Antworten
Die Kuschelpunker schleifen ihre letzten Kanten ab, machen den Punk damit also erwachsen. Interessant. Die Vollreife hat man dann vermutlich erlangt, wenn man zum Stadion-Deutschrock übergeht.
Die verkaufen inzwischen alleine die Wuhlheide aus, sind also im Grunde bereits im Stadionrock angekommen.
Das ist nicht die erste und auch nicht die letzte Band, die irgendwann mit Geschrammel angefangen hat, die diesen Weg geht. Immerhin bieten die für Kids ein niederschwelliges Angebot, mit linken Inhalten in Kontakt zu kommen, bevor diese bei Spacken wie Frei.Wild & Co. landen, und das ist aller Ehren wert.
Besser kann man es nicht formulieren.
Finde die auch schon immer kacke, aber so kann man es natürlich auch sehen und gutheißen.
"...gilt immer noch als Sprachrohr und Aushängeschild der linken und antifaschistischen Szene, deren Relevanz derzeit als unbestritten und gelten sollte."
"Immerhin bieten die für Kids ein niederschwelliges Angebot, mit linken Inhalten in Kontakt zu kommen, bevor diese bei Spacken wie Frei.Wild & Co. landen, und das ist aller Ehren wert."
Da kam mir doch glatt mein Pulled-Pork-Burger wieder hoch...
Weil ... du selbst bei den Spacken von Frei.Wild & Co. gelandest bist?
System Punks...lächerliche Bande
System Punks...lächerliche Bande
Den Socken der Onkelz einmal auf links gedreht...
Jap, gleiche pathosgetränkte Käsefüsse, aber mit Antifa Aufdruck. Textlich ist das inzwischen teilweise schon ziemlich platt und wirkt, wie oben geschrieben, eher wie ein Soundtrack fürs Abholen der rechtsgefährdeten Dorfjugend.