laut.de-Kritik

Der geduldige Hörer wird hier reichlich belohnt.

Review von

Leslie Feist macht keine halben Sachen. Für ihr neues Album hat sich die Kanadierin sechs Jahre Zeit gelassen, es ist der Nachfolger des gefeierten "Metals" von 2011. Untätig war sie in der Zwischenzeit nicht, schließlich ist sie auf der kommenden Broken Social Scene-Platte vertreten, wo sie doch eigentlich eine liebevolle On/Off-Beziehung mit der Band führt. In einem Gespräch mit der Zeit erzählte sie, die "beschissensten drei Jahre hinter sich zu haben, die ein Mensch erleben kann" - das hört man der neuen Platte nur in kurzen Momenten an.

Von Feist selbst beschrieben als Zusammenspiel von Einsamkeit, Zurückweisung, und dem Ausloten emotionaler Grenzen, ist "Pleasure" ihr wahrscheinlich intimstes Release. Es fordert Geduld und ist keineswegs eine leichte Kost. Wer auf die Idee kommt, die Platte unterwegs zu hören, darf sich nicht wundern, wenn dann alle gucken weil man die irre Person in der U-Bahn ist, die unter Kopfhörern still anfängt zu weinen. Nur, um einen Wimpernschlag später die Tränen mit einem breiten Grinsen wegzuwischen. Wobei - das Szenario kommt bei einer Fahrkartenkontrolle ganz gut.

Feist sang schon immer von Gefühlen, und ihre Commercial Hits "1234" und "I Feel It All" sind super, aber irgendwie schafft sie es trotzdem, das altbekannte Thema der Innenwelt immer wieder neu einzukleiden. Der Song "Get Not High, Get Not Low" vom Titel her nicht gerade Feists Schlachtruf, wechselt sie doch auf der gesamten Platte zwischen leisen Akustik-Klängen und filigranem Stimmwerk, nur um dann für Sekunden fast brachial aus dem Soundgerüst auszubrechen. Schellen rasseln leise im Hintergrund, immerwährend hört man das Bandrauschen des Aufnahmeprozesses - bemerkenswert, denn wenige Künstler qualifizieren sich für solch einen nackten und intimen Einblick.

Als versöhnliches Fast-Schlaflied und Hymne der Einsamkeit fängt "Lost Dreams" an, zwischendurch prescht eine nach allen Regeln der Kunst verzerrte E-Gitarre hervor. Der in Lo-Fi Sounds gekleidete Track endet mit einem Fade-Out, bis nur noch ein Flüstern zu hören ist.

Das darauffolgende "Any Party" steht als Kontrast dazu - was hat man diesen verhaltenen Optimismus vermisst. Es ist einer der stärksten Songs des Albums, und legt Zeugnis von Feists wunderbarem stimmlichen Wechsel aus Höhen und Tiefen ab. Wenn sie "You know, I'd leave any party for you" singt, dann glaubt man ihr das und möchte am liebsten direkt mitgehen. Ein Chor aus vermeintlichen Partygästen unterstützt sie gegen Ende, und plötzlich verlassen wir wirklich die Party. Man hört das Quietschen einer sich schließenden Tür, Grillenzirpen, Hundegebell, und ein vorbeifahrendes Auto, welches den Titeltrack des Albums auf vollem Anschlag aufgedreht hat. Eine sehr schöne, lebensnahe Klang-Collage.

Songs wie "Baby Be Simple" und "I Wish I Didn't Miss You" wirken zerbrechlich und sind größtenteils nur von einer melancholischen Akustik-Gitarre untermalt. Fast versagt und bricht Feists Stimme in den ungeahnten Höhen, aber gerade solche Zugeständnisse machen das Album aus. Im krassen Gegensatz dazu wirkt der Titeltrack und die erste veröffentlichte Single "Pleasure". Roher Gitarrensound à la PJ Harvey leitet den Refrain ein, stark und schon fast kreischend bestätigt Feist: "It's what we're here for!" Rhythmisches Klatschen rundet den Song ab.

Auch die zweite Single "Century", die gegen Ende mit einem Spoken Word-Part von Pulp-Frontmann Jarvis Cocker aufwartet, zeugt von Feists starker Stimme und bricht schon fast in Punk-Gefilde ein. Die Überraschung der Platte ist wohl das Ende von "A Man Is Not His Song".

Harmonisch inszeniert, Grillenzirpen im Background, ein Chor, der Gesang schraubt sich in himmlische Höhen und dann, im Fade-Out: ein Sample aus "High Road" von Mastodon. So ganz verwunderlich ist diese Hommage nicht, denn Leslie Feist und Mastodon teilten sich vor einigen Jahren eine 7", auf der die Metaller ihr Stück "A Commotion" coverten. Die Sängerin knüpft mit ihrer ehrlichen Art Freundschaften auch außerhalb von Genres und Schubladen.

"Musikerin zu sein ist ein zweischneidiges Schwert. Musik kann kraftspendend sein, sie kann dich aber auch zugrunde gehen lassen. Du musst den Scheiß wirklich leben. Und einen Platz für ihn finden", erklärt Mrs. Feist und zeigt auf ihrer neuen Platte eindrücklich, dass sie hinter ihren Aussagen steht. Wer ein wenig Geduld für dieses Album mitbringt, der kann am Ende wirklich sagen: "It's a pleasure!"

Trackliste

  1. 1. Pleasure
  2. 2. I Wish I Didn't Miss You
  3. 3. Get Not High, Get Not Low
  4. 4. Lost Dreams
  5. 5. Any Party
  6. 6. A Man Is Not His Song
  7. 7. The Wind
  8. 8. Century
  9. 9. Baby Be Simple
  10. 10. I'm Not Running Away
  11. 11. Young Up

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