laut.de-Kritik
Ein Kaleidoskop des schlechten Geschmacks.
Review von Dominik Lippe"Mach' deine Arbeit, dann ist alles wunderbar. Schaffe, schaffe, Häusle baue, nichts ist umsonst. Tagein, tagaus, denn ich lebe für den Job. Das ist Alman." Der einst als narzisstischer Lebemann angetretene Felix Krull wirft sich nach seinem letztjährigen Ausflug "Alman Tape" erneut in die spießbürgerliche Verkleidung, um die deutsche Seele zu ergründen. Wie das Artwork vorab verrät, trifft er dabei auf allerlei ästhetische Unzulänglichkeiten, die er klischeefreudig und genussvoll ausbreitet.
Zum Einstieg bietet "36 km/h" koffeinfreien Trap mit laschem Bass und eine technisch gestützte Singsang-Hook. Krull cruist mit der Liebsten im Golf, während der von gutem Geschmack unbeleckte Alman den musikalischen Interpretationen von Blümchen lauscht: "Piep, piep, kleiner Satellit." Überaus gelungen arbeitet er jedoch zwischen den Zeilen heraus, dass der haarscharfe Balanceakt entlang der Toleranzgrenze von Blitzern das Höchstmaß an Rebellion für den deutschen Leisetreter darstellt: "Schnucki, mach' dir bitte keine Sorgen, Ich fahr' nicht so schnell und passe auf."
"Das Ist Alman" grast vom Sicherheitsdenken über die schwäbische Arbeitsmoral bis zur peniblen Pünktlichkeit die geläufigsten Verhaltensweisen ab: "Im Auto warten, um nicht zu früh zu 'nem Termin zu kommen." Fußball, Bierchen, Currywurst und gelegentlich "zum Campen in den Urlaub" bilden die wenigen Vergnügungen des selbstgenügsamen Deutschen. Krull spielt diese Stereotypen zwar mit Vorliebe aus, äußert implizit aber auch Kritik daran, wenn er auf Racial Profiling zu sprechen kommt: "Selbst mit Dreck am Stecken hat ein Alman kein Problem. Mein kleines Päckchen Schnee ham' sie einfach übersehen. Dieses 'Trau ich ihm nicht zu' liegt mir scheinbar in den Gen'."
Immer wieder erhebt Krull die hierzulande verbreiteten, grauenerregenden Vorlieben selbst zum Thema, um ein regelrechtes Kaleidoskop des schlechten Geschmacks zu präsentieren. Das eröffnet ihm nicht nur stilistische Freiheiten, sondern auch eine gewisse Immunisierung gegen Kritik. So erlaubt er sich, sich in "Ciao Leben" zwischen Atzenmodus und Eurodance zu bewegen, während sich "Uwe" mit jeder Menge Autotune dem minimalistischen Dancehall und der No-Brainer "Boris Becker" dem Trap widmet.
"Malle ist nur einmal im Jahr", tönt es im sommerlichen, mit Panflötensound unterlegten Beitrag "Vamos A La Playa". Auf "Hofbräuhaus" darf auch noch der Österreicher MoneyBoy seinen Silbenmüll ins Mirko des Piefkes rotzen. Mit "Parmesan" pulverisiert Krull dann aber doch die Grenzen der Erträglichkeit. Die neu aufgelegte und alternativ getextete Version des OMC-Hits "How Bizarre" gleicht doch eher dem Karnevalistenhumor, dem die Fun-Band J.B.O. jüngst wieder auf "Deutsche Vita" frönte.
Positiv grenzt sich dazu der Song "Schwein" ab, für den sich Krull auf seine alte Rolle des wohlhabenden Zynikers besinnt: "Die Natur ist selektiv, wenn man der Schwächste ist. Und Geld macht schön, auch wenn du hässlich bist." Die aristokratische Unterschichtenverachtung entspricht wieder dem Weltbild seiner literarischen Vorlage: "Die Welt ist ungerecht und es schert mich einen Dreck, ob du kein' Mindestlohn bekommst oder am Hungertod verreckst." Das am Neoliberalismus gesäugte Schwein versprüht sichtlich Spaß an seiner Amoralität ("Die Augen grün, die Hände rot"), womit Krull womöglich effektiver Kritik übt, als mit einem weiteren korrekten Zeigefinger-Track.
Allgemein steht ihm die Rolle des Bitcoin-Millionärs, der mit Sido und Savas am "Hodln" ist, natürlich hervorragend zu Gesicht. Für das "Almantape 2" maskiert sich der Bayer, abgesehen von "Schwein", aber doch lieber als Kleinbürger. Seiner Agenda kommt diese Figur entgegen, immerhin konstatierte der anlässlich seines 200. Geburtstags gerade wieder allgegenwärtige Karl Marx bereits, dass das "in verschiedener Form hier immer neu wieder auftauchende Kleinbürgertum die eigentliche Grundlage der bestehenden Zustände" darstelle. Es handelt sich quasi um die Quintessenz des Almans.
1 Kommentar
Nimmt sich viel zu ernst und hat wenig Witz, der zum Weiterhören motiviert. Die Wie-Vergleiche sind so schlecht wie das Gegenteil von gut.
Money Boy funktioniert wegen der beknackten Texte und der Ironie, die hier fehlt. Immerhin sind die Beats recht potent.