laut.de-Kritik
Stilvielfalt mit dem ungarischen Jazz-Nomaden.
Review von Klaus HardtDer ungarische Gitarrist Snétberger präsentiert auf seiner aktuellen CD sein neues Trio. Der Norweger Arild Andersen spielt Kontrabass und der Italiener Paolo Vinaccia bearbeitet das Schlagzeug und die Perkussionsinstrumente. Beide setzen teilweise noch elektronische Instrumente ein, Ferenc Snètberger ist an der Akustikgitarre zu hören. Einiges Lob konnte das erst seit kurzem bestehende Trio bei Live-Auftritten einheimsen. Mit "Nomad" erscheint nun die erste Aufnahme. Die überwiegend ruhigen Stücke scheinen von skandinavischer Weite und Ruhe beeinflusst zu sein, da das Trio die Platte in der norwegischen Hauptstadt Oslo aufgenommen hat.
Die Themen der Stücke sind einfühlsam vorgetragen und man findet viele verschiedene Stilrichtungen wieder. Eine Prise Sinti und Roma, etwas Flamenco ("The Fifth Frame"), orientalische Einflüsse ("Song To The East"), natürlich Jazz und einiges anderes. Kulturelle Bezüge verändern sich von Takt zu Takt. Bei dem Titelstück "Nomad" ist das gut zu erkennen. Ferenc Snétberger reist musikalisch in seiner Improvisation umher wie ein Nomade, während seine Band ihn mit einem tragenden Ostinato begeleitet. Bei "Outhouse" sind die Beats direkter gehalten und ein wenig Funk ist auch zu spüren. Es ist damit der heftigste Song der Platte.
Der Bass unterstützt den geradlinigen Rhythmus aber nicht, ganz das Gegenteil. Andersen nimmt sich nun die Freiheit heraus, mit Snétberger in einen ausgiebigen Dialog zu treten. Am Ende des Stückes hört man eine der wenigen Stellen, wo wirklich einmal ein Unisono auskomponiert ist und nicht improvisiert wird. Stücke wie "Waterkiss" oder "Move" sind von der Jazzrhythmik geprägt. Vinaccia spielt eigentlich Uptempo, gelegentlich entsteht durch die Akzentuierungen der Eindruck, er wolle ins halbe Tempo wechseln. Die beiden anderen lassen sich nicht auf Hochgeschwindigkeitseskapaden ein. Sie kreieren fließende Melodien und Akkorde, wodurch auch das Schlagzeugspiel wie ein Klangteppich wirkt, trotzdem bleibt noch ein Spannungsfeld zwischen Schlagwerk und den Saiteninstrumenten bestehen.
Viel basiert bei dem Trio auf Improvisation, kaum eine Begleitung ist abgesprochen und auch diese können sich oft spontan entwickeln. Die Musiker gehen stark aufeinander ein und keiner drängt sich übermäßig in den Vordergrund. Alles hat seinen richtigen Platz, ist ausgewogen, wie auch der offene Klang der Platte selbst. Das Zuhören ist nur teilweise spannend, die Songs bleiben doch oft etwas beliebig. Die Themen sind nicht außergewöhnlich genug, um ein Stück absolut zu prägen und auch die Improvisationen bestechen nicht durch phänomenalen Einfallsreichtum. Meist sind die Lieder aufgebaut wie viele andere im Fusion. Der Song entwickelt sich langsam, vielleicht ein kleines Solo, dann folgt die Vorstellung der Melodie. Dann kommen Improvisationen dran, in denen sich die Musiker gegenseitig steigern und am Ende ist das Thema noch einmal zu vernehmen. "Childhood" ist hier für ein Paradebeispiel.
Obwohl es einige positive Aspekte gibt, die von der hohen Qualität der Instrumentalisten zeugen, schweifen die Gedanken allzu schnell ab. Oft denkt man an Beruhigungsmusik, mit der man gelegentlich beim Zahnarzt die Ohren betäubt bekommt. Woran liegt das? Die Leute sind live von dem Trio begeistert, doch bei ihrer ersten CD springt der Funke nicht so über. Bei einer Musik, die so sehr auf die Improvisation aufbaut, ist die Kommunikation mit dem Publikum äußerst wichtig. Kaum etwas ist bei der Musik des Trios abgesprochen. Damit ist das meiste eine Reaktion der Künstler auf den Augenblick.
Bei einer Studioaufnahme reagiert der Musiker also nur auf seine Kollegen, aber nicht auf die Zuhörer und die bleiben damit zu einem Teil von der Kommunikation ausgeschlossen. Das mag der Grund dafür sein, dass keine richtige Begeisterung beim Hören der Platte aufkommt. Man kann sich die Musik mit einigem Genuss zu Hause zu Gemüte führen, doch eigentlich sollte man besser die Künste von Snètberger, Andersen und Vinaccia hautnah genießen.
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