laut.de-Kritik
Genau so hätten die 90er klingen müssen.
Review von Christian Schmitz-LinnartzWie können die das? Dürfen die das?
Was? Na das: Das Destillat aus allem, von dem alle etwas schief klingenden College-Punkrock-, Country-, Balladen-, Noise-Soundwand-Gitarrenbrett-vor den Kopf-Musikant:innen aber vor allem Skate-surf-Punk-Bands seit 1993 geträumt haben bzw. träumen. Fidlar stellen auf ihrem vierten Longplayer klar, wie die Neunziger hätten klingen müssen. 1994, Skatepark, Sommer, Sonne, erster Joint, alle Hosen weit und unten, erster Kuss mit 16, mit der Traumfrau - das ist das Gefühl.
Fidlar gehören nunmehr und auch mit "Surviving The Dream" zu einer der beständigen Säulen des Punkrock, vermutlich auch deshalb, weil sie immer mehr ihrem Instinkt als dem Zeitgeist folgen. Eine in einem Printmagazin erschienene Plattenkritik zu "Surviving The Dream" bemühte sich, herauszuarbeiten, wie sich der Drogenkonsum und die mentale Befindlichkeit von Sänger Zac Carper über die Jahre gewandelt hat, auch um sich auf die Texte beziehen zu können.
Aber genau hier liegt der Knackpunkt. Angesichts beispielsweise der Refrainzeile "I don't think I'm suicidal, no I just wanna die." stellt man sich musikalisch die tristeste Klangfarbe vor, die es gibt. Dabei ist die Nummer musikalisch weitestgehend gegenläufig zum Text, denn trotz gewisser Elemente an Zerrissenheit ist sie doch sehr lebensbejahend.
Wenn man zu der Fraktion gehört, die solche psychologischen Traktate eher als redundant erachtet, weil sie die Musik und diese Art Musik eher fühlt, ist ein solcher Verweis wenig hilfreich. Die präzisere Einordnung der musikalischen Komponenten gestaltet sich ohnehin als schwierig, da es vor einem Vierteljahrhundert vermutlich wesentlich treffendere Referenzen gegeben hätte, die der Platte gerecht geworden wären und es bestimmt auch einige gibt, die treffendere Referenzen wüssten, nur arbeitet ein jeder mit dem ihm oder ihr gegebenen Mitteln und dem ihm oder ihr gegebenen Gehirn.
Diesem Gehirn fiele zur musikalischen Einordnung spontan am Ehesten ein, dass da jemand "Teenage Dirtbag" und Blümchen-Barbie-Punk mit Ukulele ("Sad Kids") genommen hat, eine Prise Presidents of the United States ("Nudge"), ein bisschen Jack Johnson-Hawaii- Geschnurbsel ("Hurt"), ein bisschen Weezer, ein Mü Brand New ("Break Your Heart"), zuweilen Gitarren und Druck von Billy Talent, pathetische Melodien mit Widerhaken, Blink 182-trifft-wieder-Strand ("Making Shit Up") mit einer in Teilen herrlich verquer leidenden, teilweise sich fröhlich überschlagenden Stimme, die Hauptelemente Pop-Punk und College Punk, das Ganze mit Noise, Shoegaze und einer ordentlichen Portion Hedonismus für den Moshpit abgeschmeckt hat, und heraus kommt die Platte des Jahres.
Ich weiß, ein starkes Statement, aber dies soll mir erst einmal jemand widerlegen.
1 Kommentar mit 3 Antworten
geil
Yop. Mindestens seit "Cocaine" und dem fuckin' Nick Offerman-Rasensprenger-Video dazu immer wieder ein halbes Ohr wert.
OBACHT! oldschool YT juGEnDscHUtZ
https://www.youtube.com/watch?v=D2srovkhf0w
Sehr
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