laut.de-Kritik
Vor allem auf Melancholie gebaut.
Review von Lena BayerFlorian Paul & Die Kapelle der letzten Hoffnung nimmt einem beim ersten, zweiten und dritten Hören den letzten Funken Hoffnung. Es scheint (beinahe) unmöglich, sich nicht von der durchgehend melancholischen Grundstimmung runterziehen zu lassen. Doch da Musik in der Regel andere Absichten verfolgt, gilt es dagegen anzugehen, die Sicht- bzw. Hörweise zu ändern oder in diesem Fall sich einfach von der Melancholie mitreißen zu lassen. Denn ob die Platte "Auf Sand Gebaut" wurde, liegt einzig im Ohr des Hörers.
Zum Einstieg liefert die Kapelle ein musikalisches Feuerwerk an Traurigkeit. Florian Paul schluchzt über die "Heile Welt", meint aber eigentlich das Gegenteil: "Der Himmel brennt, die Flammen schlagen schon ans Fenster / Und es heulen die Sirenen in der Nacht". Die markanten Gitarren heulen genauso auf. Doch um so schöner ist es, in solch einer Welt nicht allein zu sein: "Nur du / und ich / in einer heilen Welt / die um uns auseinander fällt".
Musical, Theater, Varieté, Zirkus oder doch ein Spionagefilm? Bei "Bar Kalypso" ploppen unterschiedlichste Bilder auf. Die Bilder einer Bar eher weniger. Hier trifft düsterer, energetischer Swing auf markante Bläser mit einem aufbauschenden Höhepunkt im hinteren Teil des Songs und einem langsam abklingenden Instrumental. Da wird die Kapelle ordentlich gefordert. Treffend gewählt hat Sänger Florian Paul nicht nur Duettpartnerin Mola, sondern auch das Ende, wenn die berechtigte Frage aufkommt: "Wo ist der Anfang, wo der Schluss?"
"Mir Scheint" ... das ein sehr sentimentales, beinahe schon trostloses Lied zu sein, das nicht allzu viel hergibt. Highlight: Die gegen Ende gesprochenen Lines über "ein Taschentuch mit Lippenstift" oder "ein Ticket von einem verlorenen Auswärtsspiel".
Der albumtragende Track "Auf Sand Gebaut" könnte wie zuvor schon "Pionierin" einen Award als melancholischster, sentimentalster, trostlosester (die Adjektive gehen aus) Song bekommen. Hier hilft nur, sich von der Melancholie mitreißen zu lassen und vielleicht etwas beten. Schließlich weiß das neue Testament über die Sand-Verse: "Wer aber meine Worte hört und nicht danach handelt, ist wie ein unvernünftiger Mann, der sein Haus auf Sand baute". Das bedeutet so viel wie: "Auf etwas vertraut zu haben, das ungewiss, zweifelhaft ist und folglich scheitern wird". Abwarten, paar Tracks stehen noch bevor.
"Warum gibt es auf dieser Party um elf schon kein Bier mehr?" und "Warum werd ich von diesem Rotwein so furchtbar nostalgisch?". Die wirklich relevanten Fragen des Lebens stellen Florian Paul und seine Kapelle in "Zeitgeist". Darin schenkt das Quintett mit lässigen Lines und einem fröhlichen Instrumental wieder Hoffnung. Die Bläser hier klingen mehr nach Fiesta als Beerdigung, was für eine wohltuende Abwechslung sorgt. So darf es weitergehen.
Doch dafür muss zweimal nach vorne geskippt werden. Einmal wird über den "Schatten" gesprungen und einmal über "Ein Glücklicher Lovesong", der gar nicht so glücklich ist. "Es kann noch ein Wunder geschehen" singt Flo da, aber das passiert erst "Wenn wir uns wieder finden / Oder du mich". Die Kapelle hält sich diesmal zurück und begleitet ihren Frontman lediglich am Piano, das passt zur Stimmung und klingt okay. Doch das Piano bei "Schwalben" macht wesentlich mehr her. Kein Wunder, dass die leicht jazzige Nummer bei Spotify der meist gestreamte Track des Albums ist. Die kleinen Vögelchen würdigt der Song allemal und endet wie viele Jazzsongs mit einem Saxofonsolo.
"Endlich Wien" dürfte die mit Abstand freudigste Nummer der Platte sein. Das könnte natürlich an besungener Stadt liegen, von der nicht nur Falco in jedem zweiten seiner Hits schwärmt. Wie Falco klingt die Kapelle nicht, eher wie ein Mashup aus Wanda, LaBrassBanda und Co. Damit sorgt Florian Paul mit Gang für einen soliden Abschluss und hat im Vergleich zu vorangegangenen Stücken nicht "Auf Sand Gebaut".
1 Kommentar
Etwas vom besseren aus der Musik deutscher Sprache. Was mir im Bandbeschrieb fehlt, ist ein Hinweis auf die massiven Element Of Crime - Einflüsse oder Inspirationen, welcher mir in der Musik der traurigen Kapelle unüberhörbar scheint.