laut.de-Kritik
Tue immer das, was die Leute am wenigsten von dir erwarten.
Review von Kai ButterweckFrank Carter ist alles andere als ein Mann des musikalischen Konsenses. Der rothaarige, tätowierte Madman und ehemalige Gallows-Frontmann lebt nach seinen eigenen Regeln. Zum Beispiel: Tue möglichst immer genau das, was die Leute am wenigsten von dir erwarten.
Man erinnere sich etwa an Carters Ausstieg bei den Gallows im Jahr 2011, die zwei Jahre später hingelegte Kehrtwende im Sound mit Pure Love und den anschließend völlig unerwarteten Wiedereinstieg ins Haudrauf-Geschäft mit seiner neuen Band, den Rattlesnakes.
Nun steht das zweite Album mit den Rattlesnakes, "Modern Ruin", im Regal. Und was schallt uns aus den Boxen entgegen? Das erwartetbare "Blossom"-Reloaded-Spektakel? Nix da! Carter bleibt seiner abweichenden Linie treu.
Den Anfang machen 60 in Hall gebettete Intro-Sekunden ("Bluebelle"), gefolgt von schmirgelnden Telecaster-Powerakkorden und einem Organ, das an vergangene Pure Love-Zeiten erinnert ("Lullaby"). Fernab von "Juggernaut"- und "I Hate You"-Exzessen schwingt Frank Carter die Melancholie-Keule. Geplagt von Schlafstörungen, Selbstzweifeln und Wut röhrt der Sänger das Licht im Dunkel herbei.
Begleitet wird er dabei von zwischen Punk, Noise-Rock und Alternative pendelnden Distortion-Sounds. Vertrackte Rhythmen treffen auf geballte Livepower ("Snake Eyes", "Acid Veins"). Dazwischen: Mystisches Grollen ("Vampires") und Abgedämpftes aus dem Wave-Punk-Archiv ("Wild Flowers").
Frank Carter und seine Klapperschlangen wollen eine Brücke schlagen, die Symbiose aus harmonischen "Anthems"-Backups und dem grollenden "Blossom"-Fundament bringt alle an den Tisch: Die Harten, die Zarten und all die, die noch nicht genau wissen, welche künstlerische Seite von Frank Carter ihnen die liebste ist.
Das Rock-Jahr 2017 ist noch keine vier Wochen alt, da packt es "Modern Ruin" bereits kräftig an den Lenden. Die Messlatte liegt schon mal hoch.
2 Kommentare
wesentlich milder als "blossom" ausgefallen.
große momente sucht man auch vergebens,wäre meinen betagten lenden knappe 3 zähler wert.
Hab als es hieß er mahct Post-Punk-Anleihen das schlimmste befürchtet und was habe ich bekommen? Das beste aus Pure Love und Blossoms kombiniert. Hammeralbum!