laut.de-Kritik
Wütend, arrogant, wild - und immer dagegen.
Review von Andreas DittmannFrau Potz ist grundsätzlich wütend. Sie hat generell überhaupt keine Lust und sitzt lieber mit grantigem Blick und verschränkten Armen in ihrem Sessel als irgendetwas anderes zu tun. Höchstens kloppt sie mit dem Besenstiel an Wände und Decken. Warum? Nicht wichtig, es trifft garantiert den Richtigen.
Sie ist überhaupt immer dagegen. Worum es geht, ist herzlich egal. Hauptsache dagegen. Wenn Frau Potz spricht, keift sie, normal reden geht eigentlich nicht.
Wer sie mit Turbostaat, Findus, Mikrokosmos 23 oder Escapado vergleicht, tut ihr zwar absolut kein Unrecht, erntet aber trotzdem nur Achselzucken.
Klar, die Ähnlichkeiten vor allem mit dem letzten Escapdo-Album liegen nahe, schließlich hat Sänger Felix auch dort gebrüllt. Allerdings denkt er bei Frau Potz nicht im Traum daran, auch nur einen Ton zu singen. Er keift, er schreit, er wütet sich durch seine angepissten Texte.
Es trifft Musik-Journalisten ("Steckt euch eure Reviews in den Arsch!"), altkluge Studenten-Songwriter ("Jeder, der 'ne Tele spielt, hält sich für einen Poeten") oder lahme Konzertbesucher ("Ihr seid der langweilige Mix aus Arroganz und Antichrist!").
Diskussionsbereitschaft? Arschlecken! Anecken und provozieren ist angesagt. Unreflektiert, vollkommen übertrieben und zutiefst arrogant geht Felix ans Werk. Das allerdings mit einer Schärfe, die im deutschen Punkrock ihresgleichen sucht.
Auch musikalisch ist Direktheit angesagt. Frau Potz prescht brutal nach vorne, kreist dabei mit den Armen, damit keiner entfliehen kann. Punk ist das. Punkrock, wenn man so will. Hardcore vielleicht auch noch. Aber vor allem Punk. Hot Water Music mag der eine denken, der andere Fucked Up. Und natürlich die oben genannten deutschen Freunde.
Aber Frau Potz ist mehr - eigentlich ja weniger, denn sie verzichtet auf Schnickschnack. Nach vorne, Hauptsache nach vorne. Direkt und ehrlich, ohne Umschweife auf den Punkt. So wie "Ach, Heiner", das nach den ersten gebrüllten Worten in die Vollen geht und gar nicht mehr zu zügeln ist.
"Skelbe" dagegen stampft – fast schon wie Kaizers Orchestra – umher und trampelt die Liebe einfach kaputt. "Ich kann Liebe nicht", brüllt Felix am Schluss. Liebe vielleicht nicht, aber dafür Musik.
Er und seine Jungs haben ein Händchen dafür, Punk von Klischees zu befreien und dynamisch und spritzig voran zu bringen. Da dürfen Indie-Mädels zu "Schlossers Law" tanzen und Hardcore-Jungs bei "Champagnerspion" wütend die Faust in die Luft strecken.
Völlig gerechtfertigt könnte man jetzt einwenden: Aber wo bleibt die Abwechslung? Meistens gibts doch in erster Linie nur im Punkrhythmus auf die Fresse. Ja. Mag sein. Na, und? "Wenns euch nicht gefällt, da hinten links ist die Tür." Aber zumachen bitte. Ich will nicht gestört werden.
13 Kommentare
die sind ja geil. was für eine großartige mimik allein. wie maßlos
Die Platte wurde vor ein paar Wochen mal bei Spreeblick vorgestellt (Spreeblick ist wie laut.de Teil meines Prokrastinationsrituals) und ich fand die Frau Potz auf Anhieb echt nicht so knorke. Ich habe sie dann, mehr um die Kollegen zu schocken, mal mit zur Arbeit genommen. Sie hat alles und jeden, Hipster wie CDU-Spießer, dermaßen erbarmungslos auseinandergenommen, da hab ich mich auf der Stelle ein wenig in sie verliebt. Aber anstrengend ist sie schon, die Gute!
Hohes Nervpotential - Jugendclub-Musik - geht gar nicht mehr. Auf jeden Fall ist das noch mehr Punk, als was heute darunter so allgemein vermarktet wird. Wenigstens das. Nur der CDU-Spießer swingt weiter zu Michael Buble und die Hipster hört (ja was hört er denn, das ist ja so individuell, das man es nicht weiß) ...
Boah, das Album wächst.
ich hab die band nicht gekannt, hab den artikel nur aus langeweile gelesen. bin daraufhin direkt in laden und hab mir das ding geholt. richtig geiler scheiß. danke laut.de!
ich hab die band nicht gekannt, hab den artikel nur aus langeweile gelesen. bin daraufhin direkt in laden und hab mir das ding geholt. richtig geiler scheiß. danke laut.de!