laut.de-Kritik
EBM-Sommerplatte für den elektrischen Liegestuhl.
Review von Ulf KubankeDie neue EBM-Generation beschränkt sich meist auf rein epigonale Reproduktion. Ehemals verlässliche Recken wie Skinny Puppy liefern seit geraumer Zeit nur noch mittelmäßige Alben ab. Doch zum Glück ist noch immer Verlass auf Bill Leeb. "Echogenetic" ist weit entfernt von schnöder Routine und weist dem Genre lässig den Weg in eine moderne Elektrozukunft.
Nach dem zwischenzeitlich erneuten Ausflug in die gitarrenlastige FLA meets Ministry Phase ("Improvised Electronic Device"; 2010 mit Al Jourgensen) und dem gelungenen Game Soundtrack "Airmech" (2012) schlägt der umtriebige Kanadier erneut einen Haken. Alle Sechssaiter fliegen raus. Es regiert die pure Elektronik. Fast wie zu guten alten "Caustic Grip" bzw "Tactical Neural Implant" Zeiten. Doch Leeb ist nicht daran interessiert, sich zu klonen. Die Tracks von "Echogenetic" klingen keine Sekunde altbacken oder rückwärtsgewandt.
Das erfolgreiche und ästhetische Rezept für die Elektrosuppe: Die Platte funktioniert im Club beim Zappeln genauso wie zu Hause beim bewussten Hören. Es besteht auch keine Verwechslungsgefahr mehr mit Leebs tollen Seitenprojekten wie etwas Intermix, Delerium, Noise Unit oder Synæsthesia. Stattdessen bleibt die Frontlinie in jedem Lied klar erkennbar. Dazu gibt es einen Köcher voll melodischer, nahezu hymnischer Pfeile, für die nicht wenige der Genrekollegen töten würden ("Ghosts", "Deadened").
Der überbordende Ideenreichtum des in Wien geborenen Steckdosen-Genies mag zunächst ein wenig anstrengen. Geduld lohnt sich indes. Denn trotz des durchweg straighten Grundcharakters der Songs gibt es eine schier unerschöpfliche Detailfülle. Gelegentlich eingebaute Vertracktheit, ein paar rhythmische Breaks hie und da, moderne Gewürze wie etwa ein Hauch Dubstep und ein gelegentliches Echo sphärischer Errungenschaften analog Synæsthesia/Delerium im Hintergrund, alles schön durch den Fleischwolf gedreht und als fett rockende Schlachtplatte angerichtet.
Das farbenfrohe Ineinandergreifen der Elemente lässt sogar im Grundton eher düstere Tracks wie "Blood" oder herrlich einladende "Exo" zu passenden Stücken für die warme Jahreszeit mutieren. Eine EBM-Sommerplatte für den elektrischen Liegestuhl.
9 Kommentare
Die Zeiten, als man sich auf die Verkäufer in seinen Plattenläden verlassen konnte, sind auch irgendwie rum. Völlig an mir vorbei gegangen, diese Veröffentlichung.
Danke schön. Wird angehört.
Gruß
Skywise
gern geschehen
"Killing Grounds" ist ja mal ein Kracher vor dem Herrn. Mit "Deathbed" und "Exo" sind aber auch ein paar schöne Midtemposongs oben. Der Rest geht ok, außer "Blood" ist irgendwie blutleer und "Earthquake" stampfend nervig. Was auffält ist der wiederkehrende aggressive Biss. Bestes Album seit den unterschätzten "Civilization". 4 Sterne gehen ok.
@dein_boeser_Anwalt (« da kann ich dir das gitarrelastige "millenium" zum reinhören empfehlen. daneben das obig genannte "Improvised Electronic Device" mit al jourgensen
und
von skinny puppy "Rabies"; auch mit al »):
Werde ich mal tun.
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
Immer noch ganz cool, trotz Brostep. Eignet sich prima dafür, in "Syndicate Wars" NPCs zu eliminieren. Danach ging es leider bergab.