laut.de-Kritik
Ansteckend im positiven Sinne.
Review von Daniel StraubFür den US-Amerikaner David Sumner ist Zeit eine relative Sache. Obwohl er bereits seit den frühen 90er Jahren in der Techno-Szene als DJ und Produzent unterwegs ist, hat er es bislang weder für notwendig erachtet, einen Mix von sich zu veröffentlichen. Noch hat er dem Albumformat übergroße Beachtung geschenkt. Stattdessen hat er aber einen ziemlich umfangreichen Backkatalog an 12 Inches angehäuft, der bis ins Jahr 1996 zurückreicht.
Als Function releast er nun sein Debüt mit dem Titel "Incubation". Das Album erscheint auf Ostgut Ton, dem Label des Berliner Clubs Berghain. Dort schätzt man Function als einen der frühen Technoprotagonisten, der seiner Leidenschaft stets treu geblieben ist, auch wenn ihm die große Anerkennung größtenteils verwehrt blieb. Zwar heimste er mit seinem Label Sandwell District in den letzten Jahren viel Lob ein, unterm Strich bleiben die Releases von Function jedoch zumeist eine Sache für den Underground.
Auch seine neueste Veröffentlichung macht keinerlei Kompromisse. Das Atmosphäre ist von Beginn an zumindest melancholisch, manchmal auch dunkel, aber nie düster. Man merkt deutlich, dass Function intensiv an seinen Sounds gefeilt hat, um diese dünne Trennlinie nicht zu überschreiten. Damit hebt er sich wohltuend von den übrigen Techno-Acts auf Ostgut Ton ab, die ihre Beton-Ästhetik teilweise etwas zu ernst nehmen. Function haucht seinen Tracks bei aller Strenge immer auch ein Element der Hoffnung ein.
"Counterpoint" beispielsweise erinnert mit seinen luftigen Arpeggios an die schwelgerischen Releases von Petar Dundov auf dem belgischen Traditionslabel Music Man. Die Ähnlichkeit kommt nicht von ungefähr. Beide Produzenten verbindet eine Vorliebe für analoges Gerät und ein Verständnis von Techno, das sich in einem besonders starken Maß der Tradition der 90er Jahre verpflichtet fühlt. Fein säuberlich, Schicht für Schicht, legen sowohl Dundov als auch Sumner in ihren Produktionen die einzelnen Layer in den Tracks aufeinander und geben so ihren Stücken trotz der vorzugsweise dunklen Sounds eine euphorische Stimmung mit.
Vielleicht gelingt Function mit seinem Longplayer nun doch noch, was der Titel "Incubation" verspricht: Er möge zur Vermehrung von Sumners Standing in der Szene beitragen. Aber nicht wie eine Krankheit, sondern eher wie ein positiver Vibe.
3 Kommentare
Sehr gut, trotzdem würde ich jedem, dem der Sound gefällt, zum Sandwell District Album raten, was ein absolutes Überalbum darstellt. Ähnlicher Sound, jedoch noch ausgearbeiteter und eleganter:
http://www.discogs.com/Sandwell-District-S…
Nebenbei auch mal ein Lob an Herrn Straub, der hier wider Erwarten die Elektronik Sparte mit Rezensionen unterfüttert. Hätte ich nicht erwartet, dass sich das auf Laut halten würde.
Seine sets sind (natuerlich) wesentlich besser. Das ist das Problem mit den meisten Produzentenalben heute: da wird zuviel mit Ambientflaechen experimentiert, gleiches Problem hatte ich mit Monoloc und Dadub (die dafuer neulich im Berghain mit eines der besten sets der letzten Jahre dort hatten).