laut.de-Kritik
Der bittere Nachgeschmack von Saccharin.
Review von Sven KabelitzAls ich 2012 Gabby Young & Other Animals mit "The Band Called Out For More" für mich entdeckte, hatte ich das Gefühl, die Welt durch einen kunterbunten Wackelpudding zu betrachten. Vergnügt sprang Young zwischen Pop, Gypsy-Folk, Punk-Kabarett, Polka, Oper, Cabaret und Chanson hin und her. Mit dem Nachfolger "One Foot In Front Of The Other" verliert die Götterspeise erstmals ihre Süße und hinterlässt den bitteren Geschmack von Saccharin.
Anstelle ihres ausufernden Circus-Swings setzt die Künstlerin mit den roten Haaren auf ihrem dritten Longplayer auf melancholische und introspektive Balladen. Leider büßt Gabby damit einen Teil ihrer Magie ein. Mehr als einmal mache ich mir ernsthaft Sorgen, welche Laus ihr wohl über die Leber gelaufen sein mag.
Das sie sich nunmehr vornehmlich mit Balladen beschäftigt, stellt nicht das Handicap von "One Foot In Front Of The Other" dar. Mir als unverbesserlichen Schwarmgeist, Traumtänzer und Romantiker kommt diese Entwicklung im Grunde entgegen. Das Problem liegt viel mehr darin, dass der Sängerin irgendwann in den letzten zwei Jahren ihr Feuer als Songwriterin abhanden kam. "Smile", "Saviour" und "Back Of The Car" bieten zwar manch heimelige Melodie, bleiben aber auf Dauer eintönig, in den schlimmsten Momenten sogar bieder.
Was nach wie vor in ihr steckt, zeigt sie in "Time", dieser Kreuzung aus der alten und der neuen Gabby Young. Während in den Strophen noch Akustik-Gitarre, Piano und Congas den Ton angeben, kommt im Refrain zusammen mit Trompete, Tuba und Posaune der Zirkus in die Stadt. Das verträumte "Fear Of Flying", das Balladen-Shanty "Another Ship" und der melancholische Walzer "The Devil Has Moved In" mit seinem einnehmendem Refrain bieten abenteuerliche Pop-Kunst.
Einmal kehrt Gabby Young mit ihren anderen Tierchen zu ihrem alten Swing zurück. Die Single "I've Improved" weckt mit ihrem liebevollen Arrangement Erinnerungen an den Vorgänger, ohne dabei an Songs wie "In Your Head", "Neither The Beginning Nor The End" oder "Horatio" heran zu reichen. Ein deutlicher dunkler Schatten liegt über dem ehemals so freudigen Knallbonbon Young, der sie am Ausbruch hindert.
Das finale "Back Where We Started", ein nervtötend gestelzter Calypso-Totalausfall, geht dermaßen in die Hose, dass ich mir den Song nie wieder auch nur einziges Mal komplett am Stück anhören möchte. Grauenvoll.
Nach den beiden brillanten Vorgängern setzt mit "One Foot In Front Of The Other" Ernüchterung ein. Über weite Strecken bieten Gabby Young & Other Animals ein achtbares, aber viel zu zerfahrenes Album, auf dem die Sängerin ihr Potenzial nie wirklich ausschöpft. Die Balladen wirken zu gezwungen, ihre Träumereien gestellt und ihrem Wahnsinn lässt sie niemals freien Lauf.
"I'm improved / baby I've got better," singt sie in "I'm Improved". Tut mir leid, liebste Gabby. In diesem Punkt kann ich dir nicht zustimmen.
2 Kommentare mit einer Antwort
Zumindest die Single kommt mir durchaus launig und weniger schattig als hier beschrieben vor.
Vom Rest bisher lokalkausal nur 30sek-Schnipsel auf die Ohren gekriegt, die Kerbe, in die die Rezi haut haut hin, würde ich sagen, wenn ich nicht wüsste, dass das(s) dumm wäre (wäre, haha voll witzig).
Ich gestehe, ein bisschen hoffe ich aber doch, dass hier die Lust des Sven K. am Verriss mit dem Hund gewedelt hat.
Bin erst die Tage mal in Ruhe zum Durchhören gekommen.
Ne, der Kabelitz hatte schon Recht, das Album ist leider klar ihr schwächstes.
"Fear of Flying" wird mir bleiben, großartiger Song.
Sach ich doch. Aber nie hört mir jemand zu.