laut.de-Kritik
Der Minister tanzt, singt und spricht.
Review von Joachim GaugerDass der ehemalige Dissident, Gefängnis-Insasse und Exilant in seinem Heimatland vollständig rehabilitiert wurde und mittlerweile sogar den Posten eines Ministers bekleidet, ist eine der seltenen erfreulichen Fügungen der neueren Geschichte. Dass Gilberto Gil trotzdem noch die Zeit für gelegentliche Auftritte findet, ist ein Glück für alle seine Fans. Drei seiner selten gewordenen Konzerte fanden im vergangenen September in Rio De Janeiro statt, der daraus erstellte Zusammenschnitt bildet das Kernstück der vorliegenden DVD.
Eindrücklich ist dabei von Beginn an, wie volksverbunden und natürlich Gilberto Gil immer noch wirkt; bereits vor dem ersten Lied rudert er wie wild mit den Armen um seine Zuhörer zur Mitwirkung zu animieren. Und seine Anhänger folgen dem charismatischen Liedermacher nur zu gerne. Die leider zu seltenen Schwenks ins Publikum zeigen eine bunt gemischte Schar, in der Jung und Alt die Hüften schüttelt, begeistert mitsingt und die Hände gen Himmel wirft. Meist jedoch konzentriert sich die Kamera auf Gil selbst, der auf der Bühne einen überzeugenden Unterhalter gibt. Dabei stören allerdings mitunter die Überblendungen mit Bildfolgen, die während des Konzerts an eine Leinwand hinter den Musikern projiziert wurden.
In musikalischer Hinsicht ist Gilberto Gils Auftritt von Rio eine sehr schöne Sache, aber keine Offenbarung. Der Mann hat in den sechziger Jahren die brasilianische Musik revolutionär erneuert, und das scheint ihm zu genügen. Sowieso lieben die Leute an dem Mann, der früher gelegentlich im Schatten von Joao Gilbertos Genie und von Gaetano Velosos engelgleicher Stimme stand, am meisten seine einfache und ehrliche Geradlinigkeit.
In der immerhin ungewöhnlichen Besetzung mit zwei Percussionisten, Akkordeon und zweiter Gitarre präsentiert Gil flotte, tanzbare Versionen seiner größten Hits und einige Klassiker anderer Songschreiber - wobei er zum oft missverstandenen Marley-Song "Nein Frau, Weine Nicht" offenbar eine ganz besondere Beziehung pflegt.
Ob als Minister vor einfachen Menschen aus Rio oder als Musikgott vor den Profipolitikern der Vereinten Nationen - bei Gilberto Gil hat man nie das Gefühl, er steige aus seinem Olymp herab, vielmehr wirkt er immer wie unter seinesgleichen. Schade nur, dass die vielen Konferenzen, das Büro, die Parlaments-Sitzungen, der Papierkram, die Meetings, die Öffentlichkeitsarbeit und dies und das und jenes den Musiker mehr und mehr auffressen, wie er selbst im Interview berichtet. Und doch auch sehr beruhigend, dass auch so einer mal etwas zu sagen hat.
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