laut.de-Kritik
Klassischer Soul mit dezenten Funk-Anklängen.
Review von David HilzendegenGanz unweigerlich rümpfe ich die Nase, wenn der Promotext von einem "authentischen Soulsänger", der an die "wunderschönen Soulplatten der 70er" erinnert, erzählt. Angesichts der jüngsten Veröffentlichungsflut in Sachen Vintage Soul liegt das nicht nur am Muff, den so mancher Release mit sich bringt. Vor allem die ein oder andere Compilation hätte besser weiterhin im feuchten Keller in irgendeiner Kiste lagern sollen, statt den Weg in die Plattenläden zu finden.
Glücklicherweise fördern solche Trends nicht ausschließlich Schlachtopfer zu Tage, sondern auch die ein oder andere Perle. Mit "Relax & Love" nähert sich Glen Anthony Henry auf soliden Pfaden letzterer Kategorie. Im Gegensatz zu seinen Mitstreitern, die sich mehrheitlich zum nächsten Verwandten, dem Funk, orientieren, gilt seine Konzentration dem klassischen Soul.
Selbstverständlich kommt der Eine nur selten ohne den Anderen aus, so dass sich der Funk auch immer wieder auf Henrys Debüt verirrt. So zum Beispiel in "Hope", der ersten Single, die zum Glück nicht so lahm im G-Funk dahinsiecht wie seinerzeit "Let's Get High" von Dres Klassiker "Chronic 2001", zu dem Henry die Lyrics schrieb, sondern richtig ordentlich in die Beine geht.
Warum er sich als zweite Auskopplung ausgerechnet das süßlich-klebrige "I Don't Know" ausgesucht hat, wo sich mit "Fired Up" doch eine rassige Nummer erster Güte anbietet, wird das Geheimnis seiner Plattenfirma bleiben. Thematisch gehen beide Titel in die gleiche Richtung, ob die Predigt über eine bessere Zukunft nun auf den "Politricks" und der Nonsens-Politik des Präsidenten beruht, oder auf einer Welt, die nur aus Tragödien, Lügen und Sklaven besteht, macht im Endeffekt keinen Unterschied: Rein textlich betrachtet wirkt beides unreflektiert und gehaltlos.
Aber dass es bei ordentlichem Soul nicht zwingend um tiefsinnige Sozialkritik geht, ist spätestens seit Sharon Jones' "Stop Paying Taxes" bekannt. Die Klasse der New Yorkerin erreicht Glen Anthony Henry freilich nicht, dafür sind die – zieht man die beiden Reprises ab – gerade mal neun Titel zu wenig markant. Somit fehlt letztlich das Argument, wieso "Relax & Love" einem Klassiker von Curtis Mayfield vorzuziehen wäre.
Zumal dieser einen der größten Einflüsse Henrys darstellt. Doch wer sich mit den Meistern misst, zieht meistens den Kürzeren. Titel wie das Gospelstück "I Believe" haben dennoch definitiv ihre Existenzberechtigung, auch wenn sie sich recht schnell abnutzen. Angesichts der Band sind diese Abnutzungserscheinungen umso erstaunlicher.
Bei 16 Instrumentalisten, unter anderem Mitglieder der Sweet Vandals und Funxplosion, darf man ein gewaltigeres Soundgebilde erwarten. Dann wäre wahrscheinlich mehr als nur eine ordentliche Sommerscheibe rausgesprungen.
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