laut.de-Kritik
Work in Progress.
Review von Magnus HesseDie kanadischen Post-Rock-Veteranen legen auf ihrem mit gewohnt kryptischem Titel versehenen Langspieler "Asunder, Sweet And Other Distress" verhältnismäßig kurzatmig los. "Peasantry Or 'Light! Inside Of Light!'" lässt gleich die Gitarren sprechen. Ohne die ganz große Eruption spuckt der Opener stetig Funken vor sich hin, die direkt in "Lambs' Breath" überspringen. Die Galionsfiguren des progressiven Rock-Epos verbinden ihre Soundscapes fast gänzlich ohne Schweißnarben. Wie sprach schon Heraklit: Panta rhei, alles fließt.
Vielleicht hat das zunächst relativ random wirkende Schwarz-Weiß Artwork ja doch entfernt mit dem transzendentalen Inhalt zu tun. So gesehen hat dieser periphere Sphären-Sound Anleihen von Musique Concréte, ohne wirklich über die dissonante Monotonie eines Orchesters, das vor Konzertbeginn die Instrumente stimmt, hinauszugehen.
Auch der nahtlos angeknüpfte dritte Satz wartet einzig mit marginaler Klangmasse auf, die rein von der rätselhaften Formatästhetik lebt. 'Drone' nennt man das, wenn musikalische Register wie Rhythmus einem tief grummelnden Etwas weichen, das behäbig und bedrohlich vor sich hin schnauft wie ein schlummernder Drache. Timothy Herzog und Sophie Trudeau an der Violine schaffen mit Bryant die linearen Klanggeraden, die auf unendlich weit entfernte Fluchtpunkte zuzulaufen scheinen.
Ein erster Schnittpunkt in Form eines strukturierenden Elements setzt mit dem ersten Schlagzeug erst im finalen "Piss Crowns Are Trebled" wieder ein, das die Klammer schließt. Und höre da, ein Tonlauf, Streicher und eine hörbare Organisation haben das unwegsame Territorium erschlossen. Plötzlich hat man nicht mehr den Eindruck, die kongenialen Gitarristen Efrim Menuck und David Bryant hätten ihre Amps samt blinkendem Effektboard und Loop-Station aus Versehen angelassen.
Im immer noch ungebrochenen Schwall reitet da aber mittlerweile eine zerrende Gitarrenfigur auf der nächsten. Aus Work in Progress wird ein unbändiger Work-Flow. Das unter dem Arbeitstitel "Behemoth" zwischen 2010 und 2012 live erarbeitete Material tönt nach dem dirigierten Resultat einer ausufernden Jam-Session, bei der anstelle retardierender Momente aus jedem Einfall sogleich ein neuer sprießt. Eine Kettenreaktion, die das Prozessuale nicht mehr im untermalenden Waber-Gestus begreift, sondern in ausformulierten Melodien, die ineinander greifen.
Vielleicht wären GY!BE aber auch nicht GY!BE ohne die womöglich überflüssigen Kunstpausen, die der vorhergehenden und nachfolgenden Opulenz noch mehr Potenz zugestehen. Wobei - von Pausen kann bei der Metamorphose, die dieser Longplayer in vier Stadien durchläuft, nun wirklich nicht die Rede sein. Eher muss es bei dem ersten neuen Material nach dem Hiatus und dem 2012er Album aus alten Beständen wieder heißen: Alles fließt.
6 Kommentare mit 9 Antworten
Was hab ich zu erzählen als Album? Mind gefuckter Schwachsinn, der in Vinyl gegossen in Kunstoffverschwendung ausartet. Gruß Speedi
Zu viel Urin getrunken heute?
Vor allem der erste Song gefällt mir sehr gut aufgrund der Gitarren. Die Drones von GY!BE konnten mich auch schon auf dem Vorgänger nicht begeistern, der letzte Song ist dann wieder ein Volltreffer. Hoffentlich kommen sie demnächst mal wieder in meine nähere Umgebung.
Fand den Vorgaenger besser, beim Konzert 2012 (?) in Berlin bin ich aber stellenweise fast eingeschlafen. Das hier finde ich wieder voellig langweilig.
Das ist Postrock und nicht Greenday. Banause.
Die naechste Staffel 'Sherlock' beginnt doch erst naechstes Jahr, dachte ich?! Ich bin gewiss kein GY!BE-Ueberfan, finde aber das Debut hervorragend und das letzte Album, wie gesagt, auch. Oder soll ich hier jetzt mal sagen, gib dir mal das Isolrubin BK-Album, Scott Walker, 'The Conet Project' oder aehnliches und dann reden wir nochmal? So ein Quatsch.
Mir haben die letzten Sachen auch nicht mehr so zugesagt. Hab sie aber am Dienstag in Hamburg live gesehen und fand es überragend. Bin nachhaltig beeindruckt.
War am letzten Wochenende auf Konzert in Winterthur - war eines der besten Performances, die ich erleben konnte. Die Musik zieht Dich so in den Bann - wie kann man da einschlafen? Falsches Dope?
Kann ich getrost in der Warteschlange weiter hinten einreihen, da es nicht so spannend wie erhofft ist.
Also ich finde es klasse. Perfect Listening. Ein guten alten Whiskey, gemütliche Sessel, Dämmerlicht und Augen zu.
Überhaupt echt erstaunliche Kommentare zur GY!BE LP, deren musikalischer Ausdruck u. Darbietung ureigenster Überzeugung darstellt. Mich hat damals F#A# INFINITY durch die Decke geballert-MOYA, LYSFLAIH, sowie YANQUI U.X.O schufen mir meine Nische: endlich hat ich was gefunden, das Konzert Hamburg 2015 war dann das Ticket in eine neue Zeit!
...die du persönlich - mag es aufgrund des Traumas zu später Geburt oder doch jahrelanger Aufmerksamkeitslenkungen in die falschen Richtungen sein - reichlich spät für dich entdeckt hast.
Der Sound war 99/00 sicher noch Avantgarde, 05/06 noch dazu in der Lage, Bege3isterungsstürme zu wecken - inzwischen klingen die meisten Post-Rock-Produktionen im klassischen Gewand geradezu welk.
Die Blütezeit des Post-Rock liegt lange hinter uns, was die erbaulichen Erinnerungen mit dem ein oder anderen Klassiker-Album natürlich nicht in ihrem Wert schmälern soll - aber überraschen können einen von den üblichen Verdächtigen wie GY!BE, Mt. Zion, EITS, Mono, Red Sparowes etc. eigentlich nur noch die unerschütterlichen Paten deines Nicknamen.
@souli
Kann man so unterschreiben. Aber warum brauchen wir Post-Rock noch, wenn wir Post-Metal haben?
Mal wieder massive respect an Brian Cook, ich lauf wahrscheinlich noch zwei Wochen lang mit seinem Bass-Tone im Ohr rum
@Morpho
Warst du eigentlich bei RC im Gebäude?
Logisch war ich das. Und es war mal wieder gänzlich famos. Mike hat sein Pedalboard umgekrempelt und muss mittlerweile Gibson SG statt Les Paul spielen, da invalide durch Unfall.
Yes. Allerdings hab ich nach den Konzerten der Post-Metal Fraktion immer das Problem, das ich mir die Studioalben für einige Wochen nicht mehr zu Gemüte führen kann, weil ich immer denke:"Meh, es fehlt der Druck der Live-Show." Ist vor allem bei Pelican der Fall, obwohl die ja in letzter Zeit Live-Mitschnitte bei bandcamp reinstellen.