laut.de-Kritik
Wer küsst schon gerne zu zackigem Rumba?
Review von Michael SchuhNach seiner letztjährigen Unterhaltungsrevue, die Götz Alsmann mit seinen Jugendhelden Alice & Ellen Kessler, Greetje Kauffeld, Bibi Johns und Chris Howland auf deutsche Bühnen brachte, trommelte der Münsteraner wieder seine Band zusammen. Heraus kam das Unausweichliche: Ein neues Studioalbum, das sich auch diesmal wieder, im weitesten Sinne zumindest, einem zentralen Thema widmet. Nach Filmschlagern und Orientmelodien steht nun der zwischenmenschliche Bereich auf Götzis Agenda. Titel, auch klar: "Kuss".
Mit der gewohnten Eleganz, die sein feines Gespür für Melodie und Arrangement überstrahlt, lässt es der Krawattenmann des Jahres 2004 auf die ihm unnachahmliche Art ein weiteres Mal swingen und schlagerjazzen, wobei ihm erstmals auch das Studio-Symphonie-Orchester Prag zu Hilfe eilte. 17 Songs, teilweise schon live erprobt, belegen, dass die Echo-Auszeichnung für das Vorgänger-Werk "Tabu!" keineswegs eine Eintagsfliege, vielmehr allerhöchste Zeit war.
Die ersten beiden "Kuss"-Stücke kündigen sowohl einen verstärkten Einsatz von Vibra-, Xylo- und Marimbaphonen, als auch den von Alsmann dirigierten sanften Album-Schmusekurs an, aber wer küsst schon gerne zu einem zackigen Rumba? Das weiß auch der Chef: "Küsst du gerne Frauen, denke stets daran, du schaffst kein Vertrauen, machst du gleich den Leguan", gibt Alsmann im selbst komponierten Eröffnungsstück großherzig Ratschläge an seine wissbegierigen Fans weiter.
Aus der Zeit der 30er bis hin zu den frühen 60er Jahren hat Alsmann diesmal Klassiker entstaubt, diese mit unbekannten Stücken vermengt, und zwei eigene Nummern ("Ganz Leicht", "Couscous") hinzugefügt, die "Kuss" zu einer leidenschaftlichen Affäre machen. Dass es sich dennoch nicht um ein reines Konzeptalbum handelt, will der Sänger gesondert hervorgehoben wissen, und in der Tat hat Alsmann auch schon früher amouröse Geheimnisse ausgeplaudert.
"Oh Sarah", im Original von Charles Aznavour, handelt zum Beispiel von Verlust, das verrucht interpretierte und mit Streichern glänzende "Blumen für die Dame" ist eine zarte Ode an die Einsamen und in "Einmal ... Zweimal ... Und Vielleicht Auch Dreimal", einer der besten Nummern, kommt er der Helge Schneider'schen Improvisationskunst so nah wie nie. Beide Künstler stehen im deutschen Musik- und Entertainmentbereich nach wie vor ganz oben.
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