laut.de-Kritik
Der cleane Rock'n'Roller läuft zu Hochform auf.
Review von Michael Schuh"Fatboy, du bist am Zug", urteilte ich in der Besprechung des großartigen letzten Coxon-Albums "The Kiss Of Morning" in Anspielung auf das zu erwartende Blur-Werk, das Fatboy Slim schließlich zumindest in Teilen produzierte, und das sich, entgegen sämtlicher Befürchtungen, als der Coxon-Scheibe qualitativ durchaus ebenbürtig heraus stellte.
"Happiness In Magazines", Grahams fünfter Solo-Wurf, macht nun endgültig deutlich, dass die entzweite Albarn/Coxon-Connection in Wahrheit eine Bereicherung für die darbende Fangemeinde ist. So unglaublich es klingen mag: wo ehemalige Traum-Kombis wie Lennon/McCartney oder Morrissey/Marr nach dem großen Knall erstmal nix annähernd Hochwertiges zustande brachten, zeigt die Leistungskurve bei Albarn/Coxon auch zwei Jahre nach der Trennung steil nach oben.
Apropos The Smiths, niemanden Geringeres als deren Langzeit-Producer und Blur-Intimus Stephen Street berief Coxon zu sich ins Studio, um seine Songs endlich einmal richtig aufzunehmen, da früher "der Gesang doch sehr zweifelhaft klang", wie er selbst zugibt. Was wir natürlich gerade toll fanden. Egal, der Mann hat schließlich immer noch keine Gesangsstimme, trifft nun aber so ziemlich jeden Ton, was gemeinsam mit Streets gekonnten Arrangements ein Novum im Coxon-Universum darstellt.
Der Album-Arbeitstitel "No more Mr. Lo-Fi" manifestiert sich denn auch in perfekt mit Streichern umgesetzten Balladen: "All Over Me" ruft Becks todtrauriges "Sea Change"-Feeling herauf, während das Morricone-infizierte "Are You Ready" eine assoziative Kraft versprüht, die noch einmal an Tarantinos imposante Bilderwelten des staubigen Kill Bill-Sequels denken lässt. Vorsicht, Gänsehaut!
Natürlich hat Coxon auch noch seine störrischen Rocker im Programm. Das Punk-Biest "Spectacular" und den Schrammel-Ohrwurm "No Good Time" (mit schönem Velvet Underground-Zitat) zum Beispiel, oder eben die Vorabsingle "Freakin Out", die von dem Gefühl der Hilflosigkeit handelt, das den Chef früher oftmals in Bezug auf Live-Auftritte heimsuchte. Doch der Graham 2004, das ist der Vater einer dreijährigen Tochter, der wieder mächtig Gefallen am Leben findet ("Ribbons And Leaves"), das ist der cleane Rock'n'Roller, der nur noch dem Koffein verfallen ist und sich nun sogar traut, seine Songs vor einem Festival-Publikum aufzuführen.
Dort gehören sie auch allesamt hin, sowohl das intelligent der Beatles-Spätphase huldigende "Hopeless Friend", wie auch der legitime "Coffee & TV"-Folk Pop-Nachfolger "Bittersweet Bundle Of Misery". Einen kleinen Rückblick auf seine unzugänglicheren Zeiten gestattet Coxon in "People Of The Earth", das dennoch Welten vom eremitischen "Crow Sit On Blood Tree"-Feeling entfernt ist. Home-Recording war definitiv gestern. Mit "Happiness In Magazines" liefert Graham Coxon so etwas wie sein persönliches "Parklife" ab: gereiftes Songwriting trifft auf vollendet veredelte Spitzen-Produktion. Modern life is beautiful, das kann ich euch sagen.
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