laut.de-Kritik
Die Weltrevolution würde sich wohl einen anderen Soundtrack suchen.
Review von Dani FrommManche Platten begleiten einen eine Zeit lang, man erfreut sich daran, dann stellt man sie ins Regal und vergisst sie dort. Zuweilen passiert es, dass einem Jahre später ein solches Exemplar in die Hände fällt; man legt es auf (oder, für die nächste Generation, "ein") und fragt sich, warum zum Teufel man so lange keinen Gedanken daran verschwendet hat - das Zeug ist doch klasse! Merkwürdigerweise beschlich mich beim ersten Anhören von "Kicking The National Habit" genau dieses Gefühl: Obwohl brandneu, vermitteln Grand National den Eindruck, sich den Platz in Schrank und Herz schon lange erspielt zu haben. Ein Umstand, der zwei Fragen aufwirft: "Wie kann das sein?" und "Ist das gut?"
"Wie kann das sein?" Die Plattenfirma spricht von elektronischer Aufmischung des "Soundtracks der eigenen Teeniezeit". Wenn dem so ist, waren La Rudd und Rupert Lyddon in den 80ern jung. New Order, The Clash, Madness und Depeche Mode kommen mir in den Sinn, obwohl sie an keiner Stelle direkt kopiert werden.
Nein, es verhält sich eher wie mit Begegnungen mit vermeintlichen Bekannten, bei denen man beim genaueren Hinsehen konstatiert: "Hoppla. Der ist das ja gar nicht." Auffallend sind die beinahe ein wenig altmodisch anmutenden, geradlinig durchgehaltenen Basslinien, die den Klang durchgehend prägen. La Rudds Gesang ist weder aufgeregt noch aufregend, fügt sich ins Gesamtbild allerdings bestens ein. Wut ist die Sache dieses jungen Mannes nicht, er verströmt eher, zum Beispiel im Eröffnungstrack "Drink To Moving On" (übrigens die erste Singleauskopplung), einen Hauch von Melancholie. Gelegentlich denke ich auch - hoppla! - an The Notwist.
"Talk Amongst Yourself" geht ein wenig elektronischer an die Sache heran, während mit "Boner" eine astreine Ska-Nummer aufgefahren wird, die temporeich und mit ordentlichen Bläsereinsätzen um die Ecke kommt. "Playing In The Distance", das erste gemeinsam geschriebene Stück des Londoner Duos, besticht mit einem herrlich schrägen Trompeteneinsatz, in "Daylight Goes" meine ich, "Rock The Casbah" zu entdecken. Doch, wie gesagt: Hoppla.
Tatsächlich gesamplet wird das gleichnamige Cerrone-Stück in "Cherry Tree" - den wunderbar eingängigen Basslauf in "Peanut Dream" habe ich (ganz ohne "Hoppla") erst in Mark Raes "Mind, Body And Soul" aus dem vergangenen Jahr gehört. Zu diesem Bonbon muss kaum etwas hinzugefügt werden; auch Grand National setzen auf erfreulich sparsame Instrumentalisierung. Gitarre und verhaltener Gesang machen aus "Peanut Dream" den Anspieltipp Nummer 1.
Unangenehme Überraschungen bleiben einem erspart, man fühlt sich sofort zu Hause. Und? "Ist das gut?" Nun ... Den Preis für Pioniertaten und Innovationsfreude müssen sich die beiden Herren abschminken. Neu ist hier gar nichts, eine eventuell anstehende Weltrevolution wird sich wohl einen anderen Soundtrack suchen. Dennoch ist "Kicking The National Habit" überaus angenehm zu hören, vielseitig und an keiner Stelle langweilig. Ein Album, für das man sich gerne Zeit nimmt, und wenn nicht, dann läuft es auch prima nebenher, ohne zu stören. Ja, doch. Das erfüllt durchaus die Anforderungen der Kategorie "gut".
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