laut.de-Kritik

Dissonanter Bluesrock-Trip mit Melancholiker Nick Cave.

Review von

Neue Kompositionen von Nick Cave versetzen die (intellektuelle) Musikwelt oft und schnell in eine Art ekstatische Lobeslaune. Auch was der Mann mit seiner neuen Formation Grinderman von sich hören lässt, ist wieder einer laudatorischen Erwähnung wert. Dennoch mag "Grinderman", so auch der Name des Albums des Quartetts, eigentlich gar nicht gefallen. Die elf Songs sind so gar kein Quell des ewigen Endorphins. Vielmehr begleitet sie eine latente Melancholie, die sich anschickt, die Synapsen des Hörers mit ihrer Dunkelheit zu erleuchten.

So machen einem die beiden Begrüßungstracks, "Get It On" und "No Pussy Blues" (auch die ersten beiden Singleauskopplungen), den Einstieg nicht gerade leicht. Der Sprechgesang Caves legt sich in ein stark verzerrtes Gitarrenbett und lässt uns in ängstlicher Erwartung der (womöglich anstrengenden) Experimentalität, die da noch kommen mag, ausharren. "Electric Alice" schmeichelt sich mit seinem jazzigen Bass-Intro dann wieder an. Allerdings schwängern jeden Song extrem verzerrte Gitarren als Grundausstattung. Im erwähnten Song klingen sie ähnlich einer indischen Shehnai neben Caves minimalem Gesang.

Dissonant gefiedelte und elektroverstellte Violinen (Geiger Warren Ellis ist hier mitverantwortlich) lesen sich vielleicht grauenhaft, fügen sich in den Song aber brav ein und machen ihn erst rund. Die äußerst markanten Ecken und Kanten werden dadurch zwar nicht abgeschliffen, sich an ihnen zu stoßen macht aber Spaß. Soweit der durchweg bluesige Unterton des Albums auf die Vokabel Spaß zutreffen mag. "I'm the grinderman / in the silver ray / in the pale moonlight" intoniert Cave einen Track später zu schweren Gitarren. Und wiederholt das in leichter Variation gleich mehrmals. Der Gitarrensound bleibt dabei stets der gleiche (bis auf einen sphärischen Solo-Ausflug nach dreieinhalb Minuten), bevor sich der Bass im Songverlauf etwas nach vorne drängelt.

Eigentlich könnte "Grinderman" in seiner Einförmigkeit auch die Verrenkungen einer Yoga-Stunde des lokalen Sportstudios meditativ begleiten. Nur erlauben einem die scharfen Saitengriffe kaum auch nur eine Minute Entspannung. "Depth Charge Ethel" erlaubt es sich nach der Hälfte schließlich, auch dem poporientierteren Hörer zu gefallen. Dank schnellem Rhythmus, einem deutlich vernehmbaren Bass, den kräftigen Gitarren und dem bluesigen Hintergrund-Gesang im Refrain darf man hier fast schon von Ohrwurmpotenzial sprechen. Poetische Verszeilen wie "To kiss Ethel is like drinking the stars" erinnern einen dann wieder an den Mann, der sie geschrieben hat und sie hier vorträgt.

Statt Caves Stimme bestreitet den Refrain von "Go Tell The Woman" eine hohe, metallisch-klare Gitarre, der Sänger selbst belässt es beim Murmeln. Gegen Ende kuscheln sich Synthie-Streicher in den bluesigen Kissenhaufen des Songs. "(I Don't Need You To) Set Me Free" gerät dafür nochmal überraschend eingängig: Mit einer einprägsamen Basslinie, herrlich viel Hall und eingebettet in Moll-Strukturen, kumuliert es mit den kratzenden, aber unaufdringlichen Gitarren zu einem Song, zu dessen atmosphärischer Dichte man gut auch mal den persönlichen Weltuntergang beheulen kann, ohne dass einen die Nachbarn hören. Für Freunde von Nick Caves romantisch-eingängigen Soloeskapaden dürfte der Grinderman-Trip ansonsten eher schwer verdaulich sein. Für den geneigten Fan ist gerade dies wahrscheinlich das Kaufargument schlechthin.

Trackliste

  1. 1. Get It On
  2. 2. No Pussy Blues
  3. 3. Electric Alice
  4. 4. Grinderman
  5. 5. Depth Charge Ethel
  6. 6. Go Tell The Woman
  7. 7. I Don't Need You (To Set Me Free)
  8. 8. Honey Bee (Lets Fly To Mars)
  9. 9. Man In The Moon
  10. 10. When My Love Comes Down
  11. 11. Love Bomb

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