laut.de-Kritik
Die alten US-Indie-Helden geben sich ungehobelt sprunghaft.
Review von Martin LeuteDie Veröffentlichung von "Let's Go Eat The Factory" ist die erste dicke Indie-Überraschung 2012. Nachdem Frontmann Robert Pollard 2004 nach über 20-jährigem Bestehen das Ende der Band ausgerufen hatte, gab es letztes Jahr plötzlich eine Guided By Voices-Reunion in der Besetzung der 90er Jahre, die nun in diesem Album mündet.
Und die allererste, freudige Erkenntnis besteht darin, dass die Gruppe rein gar nichts von ihrer unkonventionellen Herangehensweise und ihrem sympathisch-anarchischen LoFi-Charme eingebüßt hat. Nach wie vor unterlaufen sie das gängige Popsongformat mit vielen, unter zwei Minuten langen Nummern und einer musikalischen Unberechenbarkeit, die sich zwischen Indierock, Punk-Attitüde und Antifolk-Affinität unbekümmert auf der weitläufigen Indie-Spielwiese ausbreitet.
Erneut begeistert Pollard mit wunderbaren Melodieläufen und seiner nie greifbaren Gesangsstimme. Der Opener "Laundry And Lasers" weist mit einer Drone-Fläche den Weg, ein dumpfes Schlagzeugspiel und blecherne E-Gitarrenschläge rhythmisieren das Stück und schaffen ein Ambiente zwischen Düsterkeit und Aufbegehren.
"The Head" bedient sich beim Garagenrock und wartet mit eingängigem Gitarrenriff und verzerrtem Gesang auf, ehe das liebliche "Doughnut For A Snowman" mit akustischer Schlaggitarre, Flöte und Synthie-Klängen die bedrohliche Atmosphäre in eine heitere Richtung lenkt.
Diese ungehobelte Sprunghaftigkeit prägt auch den weiteren Verlauf des Albums. Da überrascht "Hang Mr. Kite" mit morbide-schönem Streicher-Arrangement, gefällt "Who Invented The Sun" oder "Go Rolling Home" mit einer an Sparklehorse erinnernden melancholischen Behaglichkeit oder mutet das synthetisch inszenierte "Old Bones" an wie ein irisches Traditional in einem naiven futuristischen Gewand.
Die Stärke dieser Band liegt in der Komprimierung der feinen Dramaturgien, die in kurzen, gänzlich unpolierten Songs ihre größtmögliche Ausdruckskraft erlangt. So verdeutlicht "Let's Go Eat The Factory", warum diese Herren in entsprechenden Kreisen als größte Helden unter den nur mäßig populären Indiebands gehandelt wurden.
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