laut.de-Kritik
Nicht annähernd so klebrig-süß wie die Nußecken der Mutter des Meisters
Review von Joachim GaugerMit Curry drauf - macht riesen Durst
Wo kannst Du echte Schnauzen hör'n
Berliner Kind'l nachts betör'n
Willst Du der Welt entflieh'n - zieh' nach Berlin."
Nun will er also die Großstadt erobern und outet sich auch gleich als Hertha-Fan, der im doch eher ländlichen Trier geborene Herr der Nußecken. "Berlin" heißt der Opener und die erste Singleauskopplung der nunmehr vierten CD von Guildo Horn und den orthopädischen Strümpfen. Auf "Danke!" (1995) folgt "Schön!", konsequenterweise müßten weitere Alben "Bitte!" und "Sehr!" heißen...
Doch so weit sind wir noch nicht, zuvor gilt es noch, zwölf neue Guildo-Songs zu verdauen. Leicht wird das nicht, denn der größte Teil der neuen Nummern ist wirklich harter Schlagertrash. "Großes Glück" ist eine Schmonzette im Duett, deren herausragendes Charakteristikum das absurd piepsige Stimmchen von Susanna Simon ist, "Bubu" ein wirkungsvolles Schlaflied ohne weitere Besonderheiten. "Tornero" ist der Beweis dafür, daß italienisch die wahre Sprache des Schlagers ist und "Leuchtturm" das unnötigste Nena-Cover, dass es jemals gab.
Dabei ist "Schön!" stilistisch recht vielseitig geraten. "Sexy" und "Leuchturm" werden von verzerrten, "Großes Glück" von gezupften Gitarren veredelt, in "Mädchen brauchen Liebe" dominiert die Hammondorgel, während die sonst bei Schlagerfuzzis so beliebten Streicher ganz fehlen. Eine halbe Stunde nach dem vorgeblichen Ende rezitiert Horn plötzlich ein paar Verse, zuvor gab's noch einen Exkurs in die Geschichte des Liebesliedes: In "Willst Du mein Herz Mir Schenken" brilliert Horn im Stile eines Minnesängers zur Melodie von Johann Sebastian Bach.
Irgendwie also hält "Schön!" für fast jeden ein Schmankerl bereit, beim Autor weckt eben das im Tangorhythmus gehaltene "Berlin" sentimentale Erinnerungen:
dann steigt die ganze Hauptstadt auf,
steigt aus dem Tal die Wirtschaft auf,
weil ich dann mehr Schultheiss sauf!"
Seufz!
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