laut.de-Kritik

Keine Die Lochis-Parodie kann so nutzlos sein wie dieses Album.

Review von

Boah, Leute, irgendetwas Komisches liegt in der Luft. Komische Leute machen komische Alben in diesem komischen Januar in dieser komischen Zeit. Letzte Woche durfte ich von einer komischen YouTube-Incel-Gang berichterstatten, die dachte, sie mache jetzt einen auf "Jung, Brutal, Gutaussehend". Das war kurios, gar ulkig. Aber darauf, dass ich nächste Woche Die Lochis im Casper-Kostüm auf dem Tisch liegen haben würde, darauf war ich nicht vorbereitet.

Wir erinnern uns: Nach dem Ende von YouTubes meistgehasstem Zwillings-Comedy-Channel haben sie als HE/RO rebrandet: Nichts mehr mit süßem Lochi-Blödsinns-Gewuschelhaare. Die Brüder Heiko und Roman sind erwachsen geworden. Intelligent. Sensibel. Vielschichtig. Ja, sogar ein bisschen sexy und verwegen.

Pressetext-Modus over. Glaubt ihr mir das? Ich hätte es mir nicht geglaubt. Aber das Problem ist: Heiko und Roman glauben es. Und da die Schwelle für gefühlsduseligen """""""Indie"""""" (für diesen Mist hat der Mensch nicht genug Gänsefüßchen) gerade epochal niedrig liegt, warum nicht auch die letzten Ottos ins Boot holen. Ex-Kollegah-Producer Alexis Troy kann immerhin auch ein paar mal vier Akkorde auf einer Gitarre zusammenschmeißen oder das Buch "Pop-Punk-für-Dummies" aufschlagen.

Und irgendwie ist es ja schon allerhand: "HE/RO" macht mich die Lochis vermissen. Als Lochis waren sie zwar wirklich übelster, fundamental unlustiger und anbiedernder YouTube-Brainrot, bei dem man sich um die Nichten und Neffen ernste Sorgen macht. Aber immerhin waren sie etwas, das man wiedererkennen würde. Mehr noch: So viel Hate-ability muss man sich ja auch erstmal verdienen. Sie waren nervige, irritierende Kindershow-Hosts. Und was sind sie jetzt? Ein maximalgenerischer dampfender, strudelnder Haufen Nichts. Selbst die schlimmsten Lochi-Songparodien könnten nicht so fundamental nutzlos sein wie dieses Album.

Guck an: "HE/RO" haben Herzschmerz. Sie haben, Überraschung, Überraschung, genau den gleichen Herzschmerz wie jeder andere Pop-Barde in Deutschland. Wie gesagt: Sie führen alle die selbe toxische Beziehung, alle Fluchtlinien führen in Richtung der selben Schmonzette. Wenn ihr ernsthafte Kritik an Gitarren-Pop-Tracks mit den Namen "Du Fehlst Mir", "Was Mich Nicht Umbringt" oder "So Kalt" hören wollt, dann lest einfach irgendeine andere Deutschpop-Review auf dieser Website mit einer eins von fünf durch und stellt euch dann vor, da würde statt wem auch immer halt "HE/RO" stehen. Glaubt mir, es wird auf's Selbe herauskommen. Hier sind ein paar Lustige.

Viel besprechenswerter finde ich dagegen die Versuche der Lochis, sich doch irgendwie durchs Hintertürchen Kredibilität zu erschleichen. Wenn sie nämlich nicht gerade den generischsten Deutschpop der Welt machen, rutscht ihnen in kurzen Momenten des Größenwahns doch immer wieder eine kleine, unverdiente Punk-Attitüde durch. Uhh, sie nehmen jetzt Drogen, uhh, sie haben Sex. Der Casper-Vergleich aus der Einleitung kommt übrigens nicht unverdient, denn wenn sie sich auf dem Intro "Bluten" in heiserer Stimme über ein Mobbingopfer ereifern, das stark bleiben muss. Da darf dann sogar ein bisschen geschrien werden. Denn deutscher Pop weiß, was in jeder tiefen Lebenslage hilft: Phrasen. Viel davon. "Die Welt wird grau". "Es ist nicht fair, suchst den Weg hier raus / Du kannst nicht mehr, aber du gibst nicht auf". DU GIBST NICHT AUF! Es klingt wirklich, als hätte jemand einen der schlechteren moderneren Casper-Songs abgeschrieben und damit doch alles ausgelassen, was den irgendwie interessant oder gut gemacht hätte.

Maximal lustig wird es, wenn sie auf ihren Außenseiter-Status verweisen. Auf "Generation Sorgenkind" verlautbaren sie ohne Not: "Jetzt tanzen wir auf den Scherben / Denn so wie die wollen wir nie werden". Hell yeah, Bruder. Fick "die". Wer auch immer "die" sind. Ich weiß zwar nicht, wer noch seelenloser als solche industriesoldatige Gebrauchsgegenstand-Künstler sein könnte. Aber fick "die". Ich würde auch nicht wie die werden wollen.

Es gibt noch mehr Tiefgang galore. Checkt zum Beispiel diese Einleitung für den Track gegen Ende, "Wünsch Dir Das Beste": "Mein Therapeut hat mir geraten, manche Dinge auszusprechen / Jetzt sing ich dieses Lied, danach werd ich dich vergessen". Okay, hau raus, Roman oder Heiko, welche Reflektionen hat deine Therapie hervorgebracht? Also: "Das beste, das hattest du schon", richtet er an seine Ex, "jetzt tut es mir Leid für dich, dich ohne mich zu sehen".

Jungs, ihr habt komische Therapeuten. Ich hätte diese Präambel mit dem Therapeut wahrscheinlich auch vorangestellt, bevor ich meinen tiefsten Narzissmus auf ein Textblatt onaniert hätte. Nein, warte: Ich persönlich hätte einfach meine Fresse gehalten. Aber verschiedene Therapien brauchen da eben Verschiedenes. Und ich bin kein Profi, vielleicht verstehe ich auch nicht, dass YouTube-Kinderstars einfach mal öfter reflektieren sollten, dass sie die Oberaffengeilsten sind und these bitches ain't shit. Gut, dass wir offen darüber sprechen konnten, Kevin oder Roman.

Heilige Scheiße, dieses Album ist ein Bullshit. Man sollte meinen, bei nerviger Persönlichkeit wäre es ein Gewinn, einfach jede Persönlichkeit über Bord zu werfen. Aber "Kein Grund Zur Panik" ist nicht nur eine beige Wand von einem Pop-Album, das wirklich kein Klischee auslässt. Irgendwie tun sich doch in der Austauschbarkeit immer wieder kleine, inkompetente Risse auf, durch die die beiden Jungs ihre Unausstehlichkeit und Selbstüberschätzung weiter gut sichtbar machen. Ganz ehrlich? Dann doch lieber YouTube-Kacke-Songparodien als dieser Mist, der versucht mir weismachen möchte, er wäre gefühlvoll, erwachsen oder sensibel. Schwer zu glauben, dass irgendjemand das hier verarscht kriegt.

Trackliste

  1. 1. Bluten
  2. 2. Sehnsucht
  3. 3. Das Letzte
  4. 4. 90s Band
  5. 5. Du Fehlst Mir
  6. 6. Was Mich Nicht Umbringt
  7. 7. Generation Sorgenkind
  8. 8. Jetzt Weinst Du (feat. Ness)
  9. 9. So Kalt
  10. 10. Entzug
  11. 11. Wünsch Dir Das Beste
  12. 12. So Bad

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