laut.de-Kritik

Rauchen? Männer? Rockmusik?

Review von

Haim betonen zwar andauernd, eine Rockband sein zu wollen und dass ihnen diese Anerkennung wegen ihres Live-Tanzens verweigert werde – "I Quit" ist aber erneut kein Rockalbum. Und ich finde, Tanzen gehört sogar zum Rock. Das Album höre sich mehr denn je so an, wie die Band sich anhören solle, sagt das Trio – und engagiert mit Rostam einen waschechten, gehobenen Artpopproduzenten. Die Damen bleiben verkopft im Ansatz, aber diese an sich selbst scheiternde Intellektualität machte schon immer einen Teil des Reizes von Haim aus.

"Gone" ist ein flotter Behauptungspopsong mit recht konservativer Struktur, aber mit genug Lässigkeit, um einen ordentlichen Beginn zu bieten. Das schafft das stinklangweilige "All Over Me" nicht, einer der schwächsten Songs der Angelinos. Jeden Moment ist klar, was im nächsten passiert, Malen nach Zahlen. "Relationship" reiht sich mit seinem an R'n'B erinnernden, eintönigen Refrain ein, den Este Haims Bass nur knapp vor Beliebigkeit rettet (was ihr auf "Million Years" nicht gelingt). Wie schwach dieses Material ist, wird bei knapp zwei Dritteln des Songs deutlich, bei denen die einzige Variationsidee ein Wegbleiben der bisherigen Ideen (besonders schlimm beim elektronischen "Spinning", noch schlimmer: "Now It's Time") bleibt. Das ist nicht suave, das ist einfach zu wenig.

Die Schwere des Vorgängers "Women in Music Pt. III" fehlt "I Quit", abgesehen vom ordentlichen "The Farm" und dem sehr guten, wuchtigen Albumhöhepunkt "Blood On The Street" mit Addison Rae. Sie ersetzt ein gewisser Trotz, der auf "Down To Be Wrong" sehr gut durchkommt. Das drum herum stattfindende Gepose und Gehabe würde man bei Männern wohl sleazy nennen, bei Danielle Haim spürt man jedenfalls die emotionalen Ellenbogen.

"Take Me Back" fängt ebenfalls diese spezielle Atmosphäre ein. Natürlich gibt es spannendere Themen als ehemalige Lover, aber die kühle Strenge auch zu sich selbst, mit der Danielle abrechnet, hat was. "Pulling out the petals, 'Does he love me or not?'/ David only wants to do what David wants" und dann bekommt er noch einen drauf wegen seiner Glatze und dass das unfair und scheiße ist, ist Teil des Ganzen, weil es genau so lächerlich ist, wie "Take Me Back" zu sagen.

Diese Strenge zieht sich aber nicht durchs ganze Album, und wo sie fehlt, da fehlt dann gleich noch mehr. "Love You Right" hat interessante, musikalisch sprungvolle Passagen, ersäuft letztlich doch in seiner Lieblichkeit – Meeresgrund trifft es auf "Cry". "Lucky Stars" ist tatsächlich Poprock, der seine verspielten Passagen aber nur gesondert unterbringt und sich nicht organisch anfühlt.

"Everybody's Trying To Figure Me Out" rumpelt interessant vor sich hin, zeigt textlich aber, wie stark diese Scheibe immer wieder nach unten ausschlägt: "Everybody's got their own decisions / And I know that I got mine" – sag bloß? "Try To Feel My Pain" ist einfach drüber, denn der Schmerz, von dem sie singt, der ist an Abgehobenheit kaum zu überbieten, man denkt fast an eine Persiflage. Natürlich ist es legitim, Songs über privaten Schmerz zu schreiben, aber dann leide gefälligst auch, und wenn es nur subjektiv ist.

Auf "I Quit" hat man den Eindruck, die Haim-Schwestern erstickten an ihrem zweifellos großen Talent, das sie davor bewahrt, richtig schuften zu müssen. Hundertmal durchgekaute Themen mit tausend Mal gehörten Melodien, aber kein Snippet davon würde sich schlecht anhören, vielleicht ist das das Problem. Eine EP aus den gemeinen Songs und "Blood On The Street" wäre eine ganz andere Nummer, aber hier ist so viel Krampf dabei, der alles überlagert.

Trackliste

  1. 1. Gone
  2. 2. All Over Me
  3. 3. Relationships
  4. 4. Down To Be Wrong
  5. 5. Take Me Back
  6. 6. Love You Right
  7. 7. The Farm
  8. 8. Lucky Stars
  9. 9. Million Years
  10. 10. Everybody's Trying To Figure Me Out
  11. 11. Try To Feel My Pain
  12. 12. Spinning
  13. 13. Cry
  14. 14. Blood On The Street
  15. 15. Now It's Time

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