laut.de-Kritik

Folkpop: facettenreich, aber zum Glück nicht weinerlich.

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Beim Wechsel vom Indie-Act zur Major-Plattenfirma haben schon viele ihre Qualität, Ecken und Kanten eingebüßt. Insbesondere dann, wenn sie unterwegs noch ein Bandmitglied verlieren, so geschehen bei Half Moon Run. Doch die Kanadier verbessern und verfeinern sich auf ihrem vierten Album stattdessen. Zum Beispiel sind sie eine Folkpop-Band, die nicht weinerlich klingt.

Den größten Abstand zum bisherigen Schaffen bieten "Goodbye To Cali", "Hotel In Memphis" und der Opener "You Can Let Go". Als hypnotischer Powerpop-Banger sorgt Letzterer für die erste Überraschung. Der naturverliebte Text pendelt zwischen Philosophie und Psychologie. Ein prägnanter brummender Synthesizer liefert den verträumten Unterbau des Songs, auf den sich, einem beschleunigtem Herzschlag ähnlich, der treibende Beat aufklebt. "Fast was the beat of my heart / in the back of my mind was a beautiful, truthful shouting", singt Devon Portielje.

"Hotel In Memphis" profitiert hingegen von luftig federnden Drums, gesampelten Streichern, die so warm wie frisch gebackene Brezen wirken, gedimmten Momenten, Schlaflosigkeit und einer prägnanten Klavier-Line. Der Song ist weitgehend dem Soul zuzurechnen, läuft den Cold War Kids den Rang ab und würde sogar bei Michael Kiwanuka ins Vorprogramm passen.

"Goodbye To Cali" bezieht sich reiselustig auf Kalifornien. Hier versammeln sich dissonante Momente, Acapella, Jam-Riffs aus dem Reich des Urban-R'n'B und süße Loops wie Odysseus' Sirenen. Dazu rammt Dylan Phillips die Akkorde mit Nachdruck in die Keyboard-Tasten.

"Alco" fußt auf Ukulele als Lead-Instrument und sorgt für fröhlichen, vorwärts schwingenden Drive. Der Dritte im Bunde, Conner Molander, über Bandkollege Devon und die Entstehung des Tracks: "Devon nahm auf Thailand-Reise 2012 eine Ukulele mit. Als er nach Montreal zurückgekehrt war, spielte er uns das Eröffnungsriff vor - und wir liebten es! Zu der Zeit fingen wir an, das Stück zu entwickeln. Beim Arrangement verrannten wir uns dann aber in einer Sackgasse. Jetzt ist es eine Freude, zu erleben, dass wir den Code nach all den Jahren schließlich geknackt haben. Persönlich liebe ich die Texturen, die diese Aufnahme schmücken - fühlt sich mystisch an."

Deutlich mehr in Richtung Folkpop-Wurzeln zieht zum Beispiel "Everyone's Moving Out East". Ätherische, repetitive Mantra-Gesänge wechseln sich mit Pfeifen ab. Sanftes Dauerpluckern untermalt den gleitenden, verschlafenen Song. Ebenfalls verträumt kommt das Titelstück "Salt". Einmal wirds dann aber doch ein bisschen weinerlich, in "Gigafire". Die Lyrics klingen nach der 'Letzten Generation': "This could be a very last chance, this time's not like like the other / before it's gone forever. / step into the gigafire and it will live forever." Ein majestätisch schreitender Verlauf mit Streichern kontrastiert den verheulten Gesang. "Crawl Back In" setzt dann einen super zarten Rausschmeißer hinter ein durch und durch rundes Album mit etlichen Facetten, die man teils von der Band noch nicht kannte.

Trackliste

  1. 1. You Can Let Go
  2. 2. Alco
  3. 3. Hotel In Memphis
  4. 4. Everyone Is Moving Out East
  5. 5. 9beat
  6. 6. Dodge The Rubble
  7. 7. Heartbeat
  8. 8. Gigafire
  9. 9. Goodbye Cali
  10. 10. Salt
  11. 11. Crawl Back In

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