laut.de-Kritik
Aggro Madchester - süchtige Tanzmonster und verkiffter Rave-Rap!
Review von Jasmin LützWoran denkt man bei aggressiven Hooligans? Ja, an Fußball und England. Und was kommt raus, wenn man dann noch, musikalisch gesehen, süchtige Genies der späten 80er Jahre hinzufügt? Genau, die Happy Mondays! 22 Jahre nach ihrer Gründung hetzt uns die Band aus Salford neue Tanzmonster auf die Ohren. "Uncle Dysfunktional" heißt die Superpille aus Manchester. Zwischen Marihuana, Guinness, Rockgitarre und Dancefloor sind sich die Madchester-Pop-Helden ihrem Rave-Bewusstsein treu geblieben.
Während Sänger Shaun Ryder damals in den wilden 90ern noch mit Pistole den Manager bedrohte und wegen Heroin wichtige Sitzungen sprengte, hält er nun Diät und lässt außer Joints und Gerstensaft angeblich nichts mehr an seinen aufgedunsenen Körper. Musikalisch sind sie allerdings weiterhin experimentierfreudig, wie man schon zu Beginn auf "Uncle Dysfunktional" hören kann.
"Jellybean" groovt mit rockigen Gitarren den ersten Tanzflächenfüller ein und kommandiert: "Tits on the floor!" Gut, da regt sich die Emanze auf, aber ich denke spätestens jetzt, ja, die Rückkehr der Happy Mondays ist das Beste, was seit langem passiert ist. Natürlich bin ich voreingenommen. "Pills 'N' Thrills And Bellyaches" von 1990 habe ich täglich konsumiert. Im zarten Alter von sechzehn "Kinky Afro" oder "Step On" auf Lunge geraucht. Und nun, siebzehn Jahre später erleben wir erneut den coolen Wahnsinn mit Hippie-Background und betörender Tanzwut.
"We Need This Shit!", so gehört in "Deviants" und kommentarlos bejaht. Aggro Madchester on the Dancefloor! Shaun ist nach wie vor der Asi aus dem Arbeiterviertel. Politisch unkorrekte Texte im Gepäck ist er auch als smoother Rapper unterwegs mit Bläsern und funky Rhythmen. Wobei, von richtigem Gesang sprach man bei Ryder eh nie. Er war von Anfang an der rotzende Unruhestifter und pöbelnde Roadie für Kameras und Fans. Aber vor allem waren sie revolutionär, weil es als Ding der Unmöglichkeit galt, Dance-Beats und Gitarren zu vereinen.
Heute gibt es zwar weniger psychedelische Chemie, aber dafür mehr Funk-, Hip Hop- und Country-Einflüsse. Erwähnt sei auch, dass der gelungene Sound-Eintopf von Quincy-Jones-Enkel Sammy Levine produziert wurde. "Cuntry Disco" holt die nächste Diskokugel von der Decke und Tänzer Bez sieht man schon geistesabwesend auf der Bühne zappeln, die Percussion klatschend zu verschleppten Beats.
Neben Shaun und Bez ist auch Schlagzeuger Whelan von der Urbesetzung dabei. Er betreibt schon seit Jahren ein eigenes elektronisches Label, was für die neue Formation überaus hilfreich ist. "Shake Your Body" inkorporiert Andy Warhol und Commodore 64-Piepser. Hippies waren die Raver damals ja auch schon, da wundert es nicht, dass man sich jetzt zu Bongo-Percussions bewegen soll. Es sei verziehen, und mit "Rush Rush" wirbelt der nächste Hit wieder in den Vordergrund und zitiert schamlos die 90er Rave-Bewegung! Es gibt sie also doch, die schöne Reunion – die Happy Mondays haben es vollbracht.
6 Kommentare
Äh, ich bin jetzt leicht verunsichert, da ich eine sehr positive Review gelesen habe, eine richtige miese und generell sehr skeptisch bin, ob die noch was taugen. Mein Liebling Bummed wird wohl qualitativ nicht erreicht. Hat jemand das Album schon gehört, hatte bis jetzt keine Zeit...
also, meine bescheidene meinung: die klingen genau wie anfang der 90er. und wie damals hat man nach 3 songs genug
, ganz so trifft das nicht zu, aber dass so mancher Song mit einem anderen Ähnlichkeiten besitzt, mag ich hier mal gar nicht bestreiten.
Ein wenig wundert es mich ja, dass der entsprechende Podcast zu den Happy Mondays von diesem Mittwoch von Jasmin Lütz noch völlig unkommentiert ist...
Ich hab' zwar persönlich nur relativ wenig übrig für die Richtung Musik, aber dass das ziemlich relevanter Kram ist, habe ich nun auch schon mitbekommen.
Das Cover bringts
http://forum.laut.de/viewtopic.php?t=51092…
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