laut.de-Kritik
Alle für Harry und Harry für Euch!
Review von Dani FrommZeiten ändern sich. Lugten die Rapper 1988 noch mit der Knarre im Anschlag hinterm Vorhang vor, hat der Mann im Haus - Harris' Cover illustriert es - 2010 weit Besseres zu tun. "Nichts kommt über die Familie, heißt die goldene Regel." Also noch einer, der erwachsen - und damit stinklangweilig geworden ist? "Auf Keinen"!
"Sei bereit, wenn du zu einer Harry-Show kommst." Besser wärs: Ohne Vorwarnung donnert der breit angelegte Synthie-Sound der Eröffnungsnummer auf die Zwölf. "Dabei will ich doch bloß, dass alle 'n geilen Abend haben": Mission fast umgehend erfüllt. "Also dann: Los!"
Noch immer frönt Harris den favorisierten Rauschmitteln Gras, Beck's und Zärtlichkeit - wenngleich sich die Prioritäten schon deutlich hin zur letzteren verschoben haben. Alles andere nähme man einem derart "stolzen Vater von zwei Kindern" mit "Hammerfrau" an seiner Seite auch nicht mehr wirklich ab.
Sympathisch, ehrlich, nachvollziehbar wirkt er, wenn er die vielen Freuden und das bisschen Leid seines Familienalltags ausbreitet. Ob man das alles wirklich wissen und sich darüber hinaus mitgeschnittene innerfamiliäre Abschiedsrituale oder längst verdrängte Fritzchen-Witze aus Kindermund geben will, sei mal dahingestellt.
Auch der fatale Hang zu schmalzigen bis klebrigen Hooklines ist und bleibt Geschmacksache, unabhängig davon, ob diese mit zartem Soul-Schmelz von J-Luv, mit orientalischem Einschlag von Muhabbet oder zuckersüß von Bintia geliefert werden. Ärgerlich wird es eigentlich erst, wenn She-Raw - und das gleich zweimal - wieder nur das Chorus-Gesangs-Mäuschen geben darf, obwohl die Alte eigentlich derbe flowen könnte.
Egal! Die Kombination aus unverwechselbarer Lieblings-Rapper-Stimme und dem wuchtigen Soundbild macht vieles wett. Harris - und nur er! - darf allen "Typen mit den gewaltigen Trieben" eine Pussy-Hymne auf die tierischen Leiber schreiben und im Verbund mit Hammer & Zirkel hemmungslos berlinernd "Ngeilen Tach" zelebrieren.
Neben simplen Party-Verhaltensmaßregeln und dem Schwelgen im Privaten hat der Mann im Haus durchaus etwas zu sagen, das inhaltlich darüber hinaus geht: In "Nur Ein Augenblick" greift er die seit Advanced Chemistry-Tagen ungebrochen aktuelle "Fremd im eigenen Land"-Thematik auf, fordert gebotenen Respekt allerdings von beiden Seiten ein.
"Man muss sich benehmen" - ein Grundsatz, der einem Familienvater bestens zu Gesicht steht. Den Sturm im Wasserglas, den solche Zeilen ausgelöst hätten, hätte sie beispielsweise ein Fler in die Welt entlassen, kann man sich mühelos vorstellen. Verkehrter erscheinen Harris' Einlassungen deswegen noch lange nicht.
Testosteron-triefenden Tracks wie "Urinstinkt" stellt Harris zusammen mit Sido - bewährte Kombination, das - in "Stell' Dir Eine Welt Vor ..." eine deutlich realistischere Sicht der Dinge gegenüber, die zudem schwungvoll groovt. All jene, denen der Vorsatz "Ich trinke nie wieder" vertraut im Schädel klingelt, finden in "Trinke Nie Wieder" eine gluckernd-quakende Umsetzung ihrer gebrochenen Schwüre.
Man kann ihm ohnehin nicht wirklich böse sein: In Harris begegnet einem immer wieder ein grandioser Entertainer, dem man sein Engagement tatsächlich glaubt: "Alle für Harry und Harry für Euch!"
6 Kommentare
ganz okaye platte. harry lebt von seinem sympathie-faktor. die tracks muss man aber nicht öfter als 3 mal hören.
dafür muss ich mehr als 300 ma auf das cover starren und es geil finden!
stimmt, dem ist die einfalt schon ins gesicht geschrieben, faszinierend.
Tait Eita!
Eher mäßig Tait Eita! 3/5
Harry ist Sympath für immer, aber lieber live als auf Platte Geld ausgeben.