laut.de-Kritik
Innensicht auf die Gefühlslage der Generation Z.
Review von Dominik Lippe"Was für chillen? Ich hab' zu tun, OK? So viele Menschen sind besessen, stehen nur im Weg. Ich hab' hart geackert und an Rap-Routine zugelegt." Auch mit seiner dritten EP bleibt HeXer weit davon entfernt, als Traumtänzer gelten zu können. Bemerkenswert strukturiert plant er seine musikalische Karriere.
Nachdem er sich auf der "Metropolis EP" der großen Themen annahm und mit der "Reimketten EP" sein raptechnisches Revier absteckte, folgt nun die "Tiefenflug EP" mit Innensichten auf seine Generation und die eigene Gefühlslage.
Einen nicht unerheblichen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden dürfte die COVID-19-Pandemie ausgeübt haben. "Die erste Phase ist vorbei, jetzt wird gelockert", konstatiert Gastrapper Naras in "Phase 2": "Stores sind wieder frei, machen wieder auf. Der Virus denkt sich 'geil' und nimmt weiter seinen Lauf." "Reset" bedient sich zwar ebenfalls vereinzelt dem Seuchen-Vokabular, geht inhaltlich aber noch weiter. Letztlich bleibt von den angerissenen Bildern jedoch nur ein diffuses Untergangsgefühl übrig: "Ist das hier die Endzeit oder nur ein Reset, der uns alle rettet?"
Wenig beschwingt wirkt HeXer auch, wenn er seine eigene Stellung reflektiert: "Sie sagen, ich hab' das Signing verdient. Ich sage: 'Ich hatte einfach Glück. Das Timing entschied.'" In einem Genre, dessen Protagonisten oftmals zwischen selbstbewusst und narzisstisch pendeln, gibt sich der Arjuna-Rapper bemerkenswert kleinlaut: "Ich bin nur einer von vielen. Viele bleiben unentdeckt, also schau' dich etwas um." Am Ende schwebt der vom kosmischen "Zufall" begünstigte Leipziger auch musikalisch in Richtung unendlicher Weiten: "Ich bin nicht im Traum, ich glaub' an den Zufall."
"Bei der großen EP, die Ende des Jahres kommt, habe ich darauf geachtet, dass alle Beats von einem Produzenten sind", kündigte HeXer im Sommer-Interview an: "Das fühlt sich dann alles zusammenhängender an." Mit Beatowski steht ihm ein Produzent zur Seite, der auch oberflächlichere Songs wie "Mate" stilvoll einkleidet. Für seine Instrumentals greift er nicht in die bekannte Trickkiste, um die Tränendrüse zu stimulieren. Vielmehr legt er einen depressiven Schleier über die konzentrierten Produktionen, wodurch er die Gefühle der Resignation und Isolation subtiler bedient.
In "Überforderte Eltern" spielt HeXer schließlich die Vorwürfe, seine Altersgruppe sei oberflächlich und "likegeil", trocken an die Erzeuger zurück: "Doch verantwortlich seid ihr, also was jetzt noch?" Hedonismus dient allenfalls, um von der herannahenden Katastrophe abzulenken: "Will an Probleme nicht denken. Nie allein, Hauptsache Menschen. Die Emotionen vergessen. Diese Welt wird doch bald sowieso enden." Während sich die Boomer weigern, Probleme wie den Klimawandel oder die Digitalisierung anzugehen, schwindet in der Generation Z die Hoffnung auf einen positiven Ausgang.
"Mein Herzschlag geht nur bei Rap ab", bekundet HeXer im einleitenden "Dues". Einmal mehr beweist er mit der "Tiefenflug EP", dass er mehr Leidenschaft für Hip Hop hegt, als die meisten bereits erfolgreicheren Kollegen, deren Musik eher als Produkt ausgefeilter Datenanalyse durchgeht. Mit seinem Gespür für die Themen und Probleme seiner Generation, die er immer wieder reflektiert, bleibt der Leipziger eine der interessantesten jungen Stimmen. Paradoxerweise könnte es ihm die im Chor geschulte Stimme dennoch weiterhin erschweren, in den Mainstram vorzustoßen.
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Ne Stimme wie Cedric morgens mit Kippe vor der Sonderschule