laut.de-Kritik
Breitwand-Epik ohne Met-Geschunkle.
Review von Robert FröweinFast zwanzig Jahre sind die norwegischen Geschichtenerzähler Helheim mittlerweile schon im Geschäft. Sie haben den Post-Bathory-Viking Metal-Stil nicht nur mitbegründet, sondern mit dem Debütalbum "Jormundgand" und dem bis heute unerreichten Nachfolger "Av Norrøn Ætt" auch entscheidend geprägt. Selbst die derzeitigen Genre-Spitzenreiter Enslaved brauchten Jahre, um diesem Referenzwerk das Wasser reichen zu können. Nachdem die Bergener in den letzten Jahren mehr mit Kindergartenausflügen und Besetzungswechsel denn mit essenziellen Polycarbonat-Veröffentlichungen punkteten, war die Überraschung über diesen siebten Streich namens "Heiðindómr Ok Mótgangr" um so größer.
Majestätisch, selbstbewusst und einzigartig tönt einem schon der Opener "Viten Og Mot (Sindighet)" aus den Boxen entgegen. Nach einer schleppenden Einleitung duellieren sich eisige Gitarrensalven und punktgenaue Stockschläge um die Vorherrschaft im nordisch-mythologischen Kosmos der Skandinavier. Da ist viel Enslaved, etwas Thyrfing und ein wenig Moonsorrow enthalten.
Das "Viten Og Mot"-Konzept wird als zusammenhängende Geschichte in vier Albumteile ausgegliedert und in unregelmäßigen Abständen referiert. Depressive Slow-Parts vermischen sich mit Spoken Word-Passagen, unkontrolliert wirkendem Black Metal-Geschredder und bewusst akzentuiertem Power-Drumming. Den roten Faden verlieren Helheim in ihrem epischen Mehrteiler nicht. Alles wirkt linear, kongruent aufeinander abgestimmt.
Die Norweger machen aber auch bei den restlichen Kompositionen eine mehr als gute Figur. Die Videoauskoppelung "Dualitet Og Ulver" sticht dabei als kleinster gemeinsamer Nenner für die unterschiedlichen Hörerschichten hervor. Helheim gelingt zudem das seltene Kunststück, sich weder selbst zu wiederholen, noch zu stark in die Fußstapfen diverser Mitbewerber oder Vorbilder zu tapsen.
Die Soundkaskaden sind komplex und nachvollziehbar zugleich. "Heiðindómr Ok Mótgangr" ist zwar nichts für die Easy Listening-Fraktion, doch wenn man erst einmal in die unendlichen Tiefen der heidnischen Geschichte eingetaucht ist, gibt es kein Entkommen mehr. Zu viele Details und Raffinessen sind in den Sound eingewoben, das Album überrascht auch nach unzähligen Durchläufen mit neuen Facetten und unbemerkten Finessen.
Was vor allem der Helheim Old-School-Klientel behagen wird ist die Tatsache, dass man nach über zehn Jahren erstmals wieder vollständig auf norwegische Lyrics zurückgegriffen hat. Daneben überzeugt das gute Stück mit einer glasklaren Produktion, einer illustren Gästeschar (etwa Hoest von Taake oder Gunnar Emmerhoff) und einem monumentalen Grundfeeling, das die Jungs bislang noch nicht erreicht hatten.
Lasst euch entführen in eine Welt mystischer Landschaften, heroischer Schlachten und geheimnisvoller Runen. Das ist Viking Metal wie er sein sollte – ohne Humppa-Gehoppse und feuchtfröhliches Met-Geschunkle. Und zudem ein heißer Kandidat für den Titel "Album des Jahres"!
2 Kommentare
wird mal vorgemerkt. Klingt gut.
Polycarbonat? Ich dachte die spielen Metal.