laut.de-Kritik
Wenn Elektro-Musiker Trauer tragen ...
Review von Kerstin KratochwillEin Debüt-Album, das zugleich ein Requiem ist: Das französische Pop-Soul-Duo Her musste im August 2017 den Krebstod von Gitarrist Simon Carpentier verkraften und veröffentlicht im März 2018 ein intensives Werk voller knisternder und knospender Songs. Sänger Victor Solf legt darin seine ganze Seele offen – Soul im wahrsten Sinne des Wortes ist so entstanden.
"Five Seconds To Your Heart", sang Twin Shadow in seinem kleinen funkelnden Indie-Dancefloor-Hit, Her brauchen funkige "Five Minutes" in einem ähnlich herzzerreißend treibenden Song, der jedoch auf Pomp verzichtet und mit minimalem Fingerschnippen und schrägen Elektrosamples mitten ins Herz der Hörer trifft.
Pop-Dandys wie der bereits erwähnte Twin Shadow oder James Blake, aber auch Soul- und R'n'B-Stars wie Terence Trent D'Arby oder Frank Ocean sind Inspirationen, die überblendet werden mit den vielen Frauen, denen die erklärten Feministen Her in ihren Songs huldigen: In einer Spotify-Liste, die sie zum Thema erstellten, sind Sängerinnen mit Tragik in Stimme und Leben zu finden wie Sharon Jones, Billie Holiday oder Amy Winehouse.
Die Arbeit am Album begann, als die Gesundheit Carpentiers sich bereits massiv verschlechterte. Es war klar, dass er die Fertigstellung nicht mehr erleben würde. Beide entwarfen deshalb einen Blueprint, so dass Carpentier ganz wesentlich am Sound und Design der Arbeit mitwirkte.
Minimale Elektronik, zarte Erotik und soulige Eleganz bilden das Grundgerüst dieses durch und durch durchgestylten Werkes. In der grau-schwarz-weißen Band-Ästhetik erinneren Her damit an Hurts, verlieren sich jedoch niemals wie dieses Duo in bombastischem Kitsch-Pathos. Interessanterweise erinnern die gesungenen Zeilen "Don't lose Hope" in dem saxophongetränkten "Good Night" ziemlich an "Don't Let Go" in Hurts kitschfreiem Hit "Wonderful Life", in dem es ebenfalls um das Thema Tod geht und dessen Mantra lautet: "Never Give Up, It's Such A Wonderful Life".
Und trotz des tragischen Hintergrunds des Albums findet sich keine Rührseligkeit auf "Her" – vielmehr berühren die Songs mit ihrem ruhigen Optimismus und ihrer hoffnungsvollen Kraft.
2 Kommentare
Ich hab die Eps der BAnd und kann das nur unterschreiben. Ausgefallener weisser Soul mit ganz viel Soul. Dürfte sich in meinen Jahrescharts wiederfinden.
Super Album!