laut.de-Kritik
Thrash-Raserei - ein letztes Mal.
Review von Yan TemminghoffNach über vierzig Jahren ist Schluss für das Abrisskommando Holy Moses. Sabina Hirtz, Ex-Classen wird dieses Jahr 60 Jahre alt und hat keinen Bock als Thrash Metal-Oma durch die Lande zu ziehen - auf "Invisible Queen" gibt sie ein letztes Mal das Thrash-Mädel.
Am Tag ihres Wiegenfestes steigt am 27. Dezember der letzte Gig. Zuvor erscheint mit "Invisible Queen" der Schwanengesang. Wobei Gesang bezüglich ihrer extremen Stimmbandverrenkungen kaum passt. Als Grunz-Kunst ist ihr Stil hingegen allemal zu bezeichnen: eine Vorreiterin für jüngere und erfolgreichere Gruppen wie Arch Enemy oder Jinjer. Skandieren im Spoken Word-Format ("Through The Veils Of Sleep" und "Forces Great And Hidden") verleiht den vertrackten Thrashern dazu emotionalen Tiefgang.
Hirtz lebt Metal und hat sich als Heilpraktikerin ein berufliches Fundament gebaut. Den optimistischen und hellen Grundton dieser Lohnarbeit ergänzen Holy Moses um eine dystopische und dunkle Sicht auf das Wirken der Spezies Homo Sapiens. Ihren Death/Thrash-Mix siedeln die Aachener Krachmacher auf einem hohen technischen Niveau an. "Order Out Of Chaos" beginnt mit dissonierendem Riffing im Voivod-Stil und spendiert neben dieser ruppig räudigen Gangart einige Chuck Schuldiner-Gedächtnis-Flitzefinger-Einlagen.
Beindruckend, dass die Band keinerlei Ambitionen auf eine Berufsmucker-Karriere hegt, sondern schweißtreibenden Proberaum-Schichten Priorität einräumt: Anders als manch andere Metal-Franchises beschäftigt sich das Quartett nicht mit Kalkleiste-Schminken, Bierbrauen oder Videogame-Adaptionen.
Bei "Visions In Red" kippt das Kollektiv in Schwarzwurzel-Raserei und treibt das Spiel mit den Extremen auf die Spitze. Das Bassspiel in "Cult Of The Machine" steht den Tiefton-Akrobaten von Obscura in nichts nach. Im Titelstück packt die brüll-kreisch-grunzende Sängerin sogar eine Hook aus. Das anspruchsvolle Gebretter profitiert auch von der kurzen Spielzeit: Die zwölf in Sachen Tempi, Dynamik und Härtegrad bewusst kontrastierten Songs sorgen für viel Abwechslung.
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