laut.de-Kritik
Elektrisierender Post-Hardcore mit neuen Facetten.
Review von Christian KollaschEine Band gibt nicht auf. Im Laufe ihres Bestehens sahen sich Hot Water Music mit etlichen Rückschlägen konfrontiert, klopften sich aber immer wieder den Staub von den Schultern und stemmten sich mit Hilfe ihres hochemotionalen Post-Hardcore-Punks über alle Hindernisse.
Das neunte Album "Feel The Void" darf die Band aus Gainesville, Florida nun als einen weiteren Sieg gegen die Widrigkeiten des Lebens verbuchen. Ach, und großartigen Sound mit neuen Facetten fabrizieren sie darauf auch noch.
Ein Blick zurück in das Jahr 2017: Hier sah die Zukunft der Band bestenfalls ungewiss aus. Sänger und Gitarrist Chris Wollard teilte seinen Freunden nur ein paar Stunden vor dem Headliner-Auftritt bei The Fest in Gainesville mit, dass er aus Rücksicht auf seine geistige Gesundheit keine Live-Shows mehr spielen möchte.
Die Band akzeptierte seine Entscheidung und bereitete sich darauf vor, als Trio vor das Publikum zu treten. Dass Schlagzeuger George Rebelo backstage auf Chris Creswell von The Flatliners traf und ihn um Unterstützung bat, stellte sich rückblickend nicht als Notlösung, sondern als frischer Impuls für die Dynamik und den Sound der Band heraus.
Creswell blieb für die kommenden Live-Events, lieferte Backing Vocals für die EP "Shake Up The Shadows" und bekam im Entstehungsprozess von "Feel The Void" eine aktive Rolle zugeteilt. So besinnt sich das Album auf die alten Stärken der elektrisierenden Punk-Anthems und ergänzt diese mit passgenauen, frischen Ideen zwischen Pop-Punk und Rock-Balladen. Auch Wollard hat hier wieder eine hörbar großartige Zeit, was an jeder Ecke auffällt und für Freude sorgt.
Mit dem schwergewichtigen "Another Breath" läuten Hot Water Music ihr neues Album ein. Die apokalyptische Stimmung ergibt sich hier aus tief schneidenden Gitarren, die sich später in Post-Rock-Flimmern auflösen und dem flehenden Schmirgelgesang von Chuck Ragan. Die Band nimmt in ihren Songs ungerne direkten Bezug auf aktuelle Ereignisse. Hier greifen sie eher ein Grundgefühl von Angst und Unsicherheit auf, was sich leider gut in unserer Zeit verankern lässt.
Deutlich losgelöster prescht "Killing Time" im Anschluss voran. Auf der typischen Hymne mit Mitgröl-Hook sticht vor allem Jason Blacks hibbeliges Bassspiel hervor, mit dem er völlig enthemmt über den Song läuft. Auf dem gesamten Album sorgen Blacks Tiefton-Eskapaden immer wieder für derartige Highlights.
Die Produktion des alten Weggefährten Brian McTernan (Battery, Be Well) lässt allen Instrumente Raum für solche markanten Ausflüge, ohne dabei auf den richtigen Durchschlag zu verzichten. Das gilt auch für die tragende Alternative-Rock-Ballade "Habitual", wo Ragan bitterlich das Thema Krebs aufgreift und klare Worte für die Krankheit findet: "I hope you die!".
Die Single "Collect Your Things And Run" dürfte aber am ehesten stellvertretend für die wiedergefundenen Lebensgeister innerhalb der Band stehen. In dieser entfesselten Punk-Nummer im roten Drehzahlbereich läuft Wollard zur Höchstform auf und scheint hier auch sich selbst etwas sagen zu wollen: "You’re not the only one in your head". Weniger als ein großartiges Skate-Video voller guter Laune hätte dieses Brett auch nicht verdient gehabt.
Auf "Turn The Dial" übernimmt Creswell erstmals den Leadgesang und setzt mit seiner cleanen Herangehensweise einen spannenden Kontrapunkt. Gefühlvoll waren Hot Water Music schon immer, aber eine solche Stadionrock-Theatralik hatte die Band bisher nie im Programm. Für Hardcore-Puristen könnte sie hier eine Geschmacksgrenze überschreiten. Als Ergänzung fügt sich der Song aber als willkommene Abwechslung mit viel Herz in das Gesamtkonzept.
Feuerzeuge (oder wohl eher Handys) dürften live auch bei "Ride High" nach oben gehen. Der Song trägt dann aber doch etwas zu viel Weltschmerz in eine eher typische Rockballade nach Schema F, die in dieser Art schon etliche Male auf Tränendrüsen drücken wollte. Trotzdem kann die Band ihre Emotionen selbst hier noch authentisch und mit viel Wärme transportieren.
Das gilt für die gesamte Albumlänge. Hot Water Music enden nicht als Abziehbild ihrer selbst. Sie führen ihren Stil natürlich fort und verheddern sich dabei nicht in überbordender Nostalgie oder völlig entfremdeten Experimenten. Eher ergänzen sie ihren Sound um stimmige, zumeist sanftere Elemente und versprühen bei den alten Tugenden immer noch enorme Lust und Spielfreude. Die Leere nach fünf Jahren ohne Album haben sie mit "Feel The Void" erfolgreich besiegt.
1 Kommentar mit einer Antwort
Versteh einfach nicht warum sie nicht mal bisschen zackiger losballern die ersten zwei, drei Songs. Stimme, Sound passt doch alles, sind aber halt von Anfang an irgendwie am austrudeln und daher imo sehr belanglos.
Mir haben die Vorab-Songs auch erst gar nicht so getaugt. Aber mit mehrmaligem Hören gewinnen sie extrem. War zumindest bei mir so. Ein richtiger Kracher wäre schon schön gewesen. Aber insgesamt ein tolles Album ohne Ausfälle.