laut.de-Kritik
Hart und wenig herzlich.
Review von Amelie KöpplGefangen zwischen Frust und Wahnsinn, umschlingen uns Human Abfall aus Stuttgart erneut mit einem Album voller förmlich greifbarer Worte, die sich eindringlicher wiederholen als ein frisch geöltes Repetiergewehr.
Wie ein gnadenloser Priester hämmert uns Sänger Flávio Bacon auf "Form & Zweck" eine Zeile nach der anderen in unsere vom täglichen Einerlei aufgeweichten Hirne. Um ihn herum kreiseln Rhythmen mit Wurzeln aus Punk, Surf und Trap mit zerrenden Gitarrensaiten.
Zu Beginn der Platte steht man "Knietief Im Falschen". Zeilen wie "Ich will kein Versprechen. Ich will eine Garantie!" bäumen sich auf und schlagen nach wenigen Minuten in dramatisch herumwirbelnde Riffs um. "Bequeme Stellung" setzt verheißungsvoll düster ein, bevor der harte Sprechgesang uns aus völliger sozialer Taubheit wachzurütteln versucht.
"Meinung kommt nicht aus dem luftleeren Raum" und kriecht auch nicht unter Aluhüten hervor. "Denken Lernen!?", so lautet laut Human Abfall im dritten Track die Devise, um nicht unbemerkt im Sumpf des Irrealen zu ertrinken. Passend dazu der Blick auf das montägliche Dresden im Jahr 1945 und heute: Als "Täterenkel" bezeichnet Bacon die Protagonisten der sich aus reiner Ignoranz wiederholenden Geschichte, die vor lauter Alternativvorschlägen sämtliche politische Bildung über Bord werfen.
Noch eine Spur geladener geht es in "Es Ist, Wie Es Ist" und "Realismus Verpflichtet" zu: "Wäre es doch nur ein Traum gewesen. Ich schoss auf ein Pferd und stieß ein weiteres zu Tode." Dass seine Visionen von hingerichteten Tieren alles andere als ein Traum waren, schwört Bacon immer wieder in dadaistischer und todernster Manier.
Noch realistischer greift "RTLM" in surreal lauerndem Klanggewand das Grauen der Völkermordpropaganda des gleichnamigen Radiosenders auf. Human Abfall verarbeiten die blutige Szenerie in plastischen Bildern einer stürmenden Menschenmasse, bewaffnet mit Radiogerät und Machete.
Wider den sperrigen Sound ruft "Neu Leben" zum Tanzen statt zum Erstarren vor Angst auf. Wirklich tanzbar gerät aber das provokative "Q: Wo Ist Franz? A: Im Dschihad.", das die Radikalisierung des einfachen Mannes in Liedform gießt: "Schau doch ein einziges Mal scharf wie 'ne AK-47!"
Hinter den einfachen, überdeutlich gewählten Worten stecken Botschaften, die nur auf den ersten Blick etwas mit offensichtlichen Hasstiraden auf das System zu tun haben. Vielmehr wenden sich Human Abfall dem Auf- und Umbruch zu. In nur wenig mehr als 30 Minuten stellen die Stuttgarter die Tagesthemen auf den Kopf, häuten verschleierte Wahrheiten und packen sie an den Pranger, um sie mit eiskalter Direktheit zu entblößen.
Human Abfall hüllen sich in die aus der Mitte der Gesellschaft herausgepickten Problemstellungen ein und werfen es im richtigen Moment den Schafspelz ab, um den drohenden Finger gegen Mitläufer, Dummheit und Gedankenlosigkeit zu erheben. Hart und wenig herzlich enthüllen die Stuttgarter so mit karger Melodie sämtliche dystopische Versionen der Gegenwart und Zukunft.
1 Kommentar
Ich muss bei den Teil irgendwie an DAF denken!