laut.de-Kritik

Zweiter Rap-Frühling, der schöner nicht sein könnte.

Review von

Sechs lange Jahre haben Anhänger des französischen Hip Hops auf den Nachfolger des besten europäischen Rap-Albums aller Zeiten gewartet. Jetzt sind I AM zurück und bescheren den Wartenden mit ''Revoir Un Printemps'' einen zweiten Frühling, der schöner nicht sein könnte.

Das Quintett hat die Zeit gebraucht, denn nach dem Erfolg von ''L'École Du Micro D'Argent'', standen sie vor der denkbar schwierigen Aufgabe, ein annähernd vergleichbares Werk zu schaffen. Um so erfreulicher ist es, dass ihnen mit ''Revoir Un Printemps'' diese Quadratur des Kreises gelungen ist. Das neue Album ist zwar kein neues Über-Werk, trotzdem aber so gut, dass man nicht daran vorbei kommt, es in den höchsten Tönen zu loben.

Wer die außergewöhnlichen Texte nicht versteht, kann sich allein bei den Instrumentals einen Wolf freuen. Teilweise vom bulgarischen Symphonie Orchester eingespielt, haben die Stücke einen Klang, der einem alle Haare aufstellt. Egal ob dramatische, sphärische Klänge bei ''Laches'' oder bei dem nachdenklich entspannten Instrumental für den Titel-Track ''Revoir Un Printemps''. Wie man es von dem Quintett aus Marseille gewohnt ist, spielen sie einfach in einer anderen Liga. Auch bei weniger typischen Old-School-Tönen sind I AM eine Klasse für sich (''Pause'' und ''Murs''). Der Off-Beat-Track ''Armes De Distraction Massive'' gehört ebenso zu den Highlights wie die der Beat von Shurik'n für "Nous", dessen mystische Sounds nach Walgesängen klingen. Und dass sich die Jungs auch noch wie keine anderen im asiatischen Sample-Raum auskennen, wird spätestens nach ''Visages Dans La Foule'' jedem Nachahmer schmerzlich bewusst.

Auf ihrem letzten Album machten I AM durch den Track ''La Saga'' klar, dass sie das Haus rocken können. Doch die Kollaboration mit Sunz Of Man war nur der Anfang. Mit Method Man und Redman im Boot ist jetzt kein Club mehr vor ihnen sicher. Der Wu-Tanger und der Funk Doc sind die geniale Besetzung für diesen funky Track, ohne dass sie I AM auf dem für sie eher ungewöhnlichen Beat die Show stehlen.

Überraschend ist außerdem die Zusammenarbeit mit Beyoncé auf ''Bienvenue''. Das mag wie ein geschickter PR-Zug aussehen, bestätigt aber in Wirklichkeit nur die Stellung, die I AM im internationalen Musik-Zirkus einnehmen. Schade ist eigentlich nur, dass ''Bienvenue'' eher am Ende der Top-Tracks des Longplayers rangiert. Erfreulich hingegen ist, dass die Rap-Anteile von Shurik'n, Freeman und Akhenaton nahezu demokratisch verteilt sind. Das ist eine logische Konsequenz aus dem Erfolg und der Qualität der Solo-Alben, mit denen man die letzten sechs Jahre ohne I AM-Platte überstehen konnte.

Ob die drei Rapper über das verhängnisvolle Datum der letztjährigen Präsidentschaftswahl in Frankreich rappen, bei der der rechtsradikale Kandidat Le Pen den zweiten Rang erreichte ("21/04"), oder über die problematische Situation junger Emigranten in Frankreich diskutieren ("Nous") - immer erreichen die Texte eine poetische und lyrische Tiefe, die ihresgleichen sucht.

Eigentlich missfällt allenfalls das Artwork des Booklets. Doch dass I AM jetzt durch weiße Tiger zu Partnern im Geiste von Siegfried und Roy werden, steht wohl nicht zu befürchten.

Trackliste

  1. 1. Stratégie D'Un Pion
  2. 2. Nous Feat. Kayna Sameth
  3. 3. Quand Ils Rentraient Chez Eux
  4. 4. Noble Art
  5. 5. Laches
  6. 6. Mental De Viet-Cong
  7. 7. Revoir Un Printemps
  8. 8. Armes De Distraction Massive
  9. 9. Second Souffle
  10. 10. Visage Dans La Foule
  11. 11. Ici Ou Ailleurs
  12. 12. Tiens
  13. 13. Bienvenue
  14. 14. Pause
  15. 15. Fruits De La Rage
  16. 16. Murs
  17. 17. 21.04
  18. 18. Aussi Loin Que L'Horizon

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