laut.de-Kritik

Eine Indierock-Torte zum 30. Bandjubiläum.

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Wie eine Treppe, die eine Treppe herunterfällt. So hat der New Musical Express die Musik von Idlewild Ende der Neunziger mal beschrieben. Doch vom krachigen Punkrock der Anfangstage hat sich die schottische Band über die Jahrzehnte weit entfernt. Würde man zum 30. Bandjubiläum nach einem neuen Bild für die Musik suchen, könnte eine Torte passen – gemacht aus süßen Melodien, verziert durch raffinierte Gitarren.

Sechs Jahre nach "Interview Music" bietet das zehnte, selbstbetitelte Album eine halbe Stunde emotionalen Indierock. Dabei reflektieren Idlewild ihr eigenes Werk, um es in die Zukunft führen. "Zum ersten Mal bezogen wir uns auf uns selbst, nicht auf nostalgische Weise, sondern auf positive, kreative Weise", erklärt der Sänger Roddy Woomble zum Release, "Dabei erkannten wir, dass wir einen 'Sound' hatten und dass die Songs, die wir schrieben, diesen Sound feiern sollten".

Zwischen Melancholie und Aufbruch entstehen hymnische Momente. Mit der Erfahrung von 30 Jahren präsentieren Idlewild gleich im Opener ihre Formel für den perfekten Indierock-Song. "Stay Out Of Place" erzählt die Bandentwicklung vom schroffen zum schönen Klang in nur drei Minuten. Mit Pop-Hooks, die für drei Songs reichen würden, pendelt sich das Lied in einem bittersüßen Moment zwischen Dankbarkeit und Flüchtigkeit ein: "But I'm glad that we stayed here for a while / That we lived here for a while / We were here for a while".

Schlag auf Schlag füllt sich ein Poesiealbum. Über treibende Licks, pulsierende Bässe und dichte Slogans ("A brave new world, a brand new vision") verschmelzen in "Like I Had Before" verschiedene Zeiten und Gefühlszustände. "Make It Happen" schleift seine Riffs und Motivationsverse so messerscharf, dass man sich bis zum Ende nicht sicher sein kann, ob nicht doch Maximo Park im Studio standen. "(I Can't Help) Back Then You Found Me" fordert Power-Pop-Granden wie Teenage Fanclub oder Nada Surf heraus, auch wenn das längste Stück des Albums mit seinen Sing-Along-Passagen manchmal zu sehr in ein standardisiertes Radio-Format abdriftet.

Immer wieder bewegen sich Idlewild haarscharf an einer Grenze, an der Pathos in Rührseligkeit umzuschlagen droht. "Ich versuche, es so eingängig wie möglich zu gestalten, daher sind die Melodien so sparsam und schlicht wie möglich, damit man sie sich gut merken kann", hat Roddy Woomble kürzlich dem NME erzählt. Die Kunst der eingängigsten Melodie bedeutet hin und wieder auch einen Flirt mit Oberflächlichkeiten, wie sie Post-Britpop-Bands wie Snow Patrol, Keane und seit langem auch Coldplay bedienen. Mit zu viel Eifer verlieren Chorus-Bonbons wie "It’s Not The First Time" oder "I Wish I Wrote It Down" zunehmend an Geschmack.

Gerade die Balladen neigen dazu, sich im Schunkeln zu verlieren. "The Mirror Still" kreist um einen Softrock-Fragenkatalog, den man ähnlich von Phil Collins kennt. "Permanent Colours" hakt sich in einem Emo-Refrain fest ("And I want more to life / I want more to life / There must be more life still to find"). Auch "End With Sunrise" profitiert nicht vom Jammern in Schleife ("I'm sorry that I came back / But I went out to see if there was anything for me"). Erst in der letzten Minute dürfen die E-Gitarren wieder durchdrehen. Und Idlewild klingen wieder nach einer Treppe, die lautstark eine Treppe herunterfällt.

Trackliste

  1. 1. Stay Out Of Place
  2. 2. Like I Had Before
  3. 3. It’s Not The First Time
  4. 4. (I Can't Help) Back Then You Found Me
  5. 5. The Mirror Still
  6. 6. Make It Happen
  7. 7. I Wish I Wrote It Down
  8. 8. Permanent Colours
  9. 9. Writers Of The Present Time
  10. 10. End With Sunrise

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