laut.de-Kritik
Cooler als die Polizei erlaubt.
Review von Julian VölkerIlgen-Nur klingt so cool, dass sie es nicht nötig hat, besonders abwechslungsreiche Musik mit metaphorischen Texten zu machen. Sie beobachtet, schreibt auf, singt und versetzt den Zuschauer in ihren kleinen Independant-Coming-Of-Age-Film. Man lässt sich hilflos berieseln und vergisst bei all den Problemen einer Mittzwanzigerin völlig, dass man ja noch was zu erledigen hat. Geht es bei Musik nicht genau darum?
"Power Nap" ist das Debütalbum der jungen Sängerin, die sich mit zahlreichen Support-Slots und einer ersten EP bereits einen Namen in der Norddeutschen Indie-Szene gemacht hat. "Honey on toasts / It's a sunday and I forgot to get my groceries before the shops close / And I'm drinking tea / i prefer coffee / but theres no milk left in the refridgerator / I don't like to drink my coffee black"
Der Opener "In My Head" gibt mit Singer-Songwriter-Indie im Slow-Kopfnicker- oder Schunkelfeeling der Hintergrundmusik eines britischen Pubs die Richtung vor. Textlich nennt Ilgen-Nur einfach all ihre unwichtigen Gedanken, die in Verbindung ja dann doch irgendwie das perfekte Bild malen.
Ihre selbstreflektierende Lyrik tunkt die Sängerin in schweren Indie-Pop, bestehend aus hallenden Gitarren und entspannten, schweren Drums, die mit drückenden Bässen und der im Hintergrund konstant agierenden Lagerfeuer-E-Gitarre bestrichen werden. Trotz der Tatsache, dass die Songs nicht gerade vor Ideen- und Abwechslungsreichtum strotzen, ist der Sound durch den Hall- und Soundteppich schwer greifbar. Alles ist umhüllt von einer Blase der Unantastbarkeit. Die Musik passt sich der Stimme an.
Im besonderen textlichen Fokus steht ihr Alltag. Wenn Ilgen-Nur davon singt, dass sie den liebelangen Tag träumt ("In My Head") oder Fernsehen guckt ("TV"), dann scheint es so als entspringe die Coolness nicht ihrer DNA, sondern sei Produkt kontinuierlicher Langweile. Da ist es egal, ob Ilgen süße Liebeslieder ("New Song II"), eingängigen Indie ("Nothing Surprises Me") oder rockigere Werke ("Easy Way Out") schreibt, hier wird knallhart ein Stiefel durchgezogen.
Der Albumtitel ist so passend wie ein Titel nur sein kann. Nicht, dass die Platte Power gibt, es ist mehr die musikalische Vertonung eines Mittagsschlafs: ruhig (jedoch nicht still) und kontinuierlich gleichbleibend – ein 30-minütiger Power-Nap, wie er im Buche steht. Ilgen-Nur holt den Hörer in ihre Welt, ohne dabei auch nur ansatzweise bemüht zu wirken oder auf Plattitüden zu setzen. Sie lullt ein.
5 Kommentare
so gut. nothing surprises me, silver future and easy way out ♥♥♥
"dass sie es nicht nötig hat, besonders abwechslungsreiche Musik mit metaphorischen Texten zu machen."
Werden sicher nicht alle so sehen. Wer nicht Dylan oder Cohen Niveau schafft, hat da schon grundsätzlich zwei Sterne Abzug sicher. Das der Rezensent die Stärken würdigt und nicht vom Elfenbeinturm runter runtermacht ist gut.
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Hammer Album !!!
Stimme der Rezension zu. Seit gestern ist das meine gefeierte Neuentdeckung. An den Texten hab ich mich anfangs schon gestört, anspruchsvolle Lyrik liest sich anders, aber sie fügen sich schon irgendwie ins Gesamtbild ein. Etwas ausbauen kann sie die aber beim nächsten Album schon und ein paar andere Themen wählen.